1889 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Hense, Joseph, Führer, Anton
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): Jungen
2 I. Beschreibende Prosa: Geschichtliche und geographische Charakteristik.
Zug, die Ahnung und später das Bewußtsein, daß dem aufstrebenden
Staate, dem schon damals beziehungsreich die Grenzen seines größten Um-
fanges non jenseits des Rheines bis zur Memel abgesteckt waren, das
Heiligtum der nationalen Staatsbildung anvertraut sei, der Beruf, aus
Stammeseifersucht und dynastischer Zersplitterung heraus dem Streben der
Nation nach einer politischen Gemeinschaft Genüge zu thun. So steht
der große Kurfürst vor uns nicht als ein tapferer Schlachtensieger bloß,
sondern auch als ein Staatsmann voll Wohlwollens, voll Einsicht und
scharfen Blickes, voll genialer, bisweilen zu weit ausgreifender Gedanken,
von hartem, durchfahrendem, herrischem Wesen; nirgends aber Despoten-
laune und Tyrannenart; nein, diese Hohenzollernhärte überwand auch
harte Stoffe zum Wohle des Ganzen und zwang spröde Elemente in den
Dienst des Staates. Und dabei war diese rauhe Natur unter der schweren
kriegerischen und politischen Arbeit keineswegs für die zarteren Regungen des
Geistes, die künstlerischen und wissenschaftlichen Bestrebungen, unempfindlich;
wie hätte er auch sonst dem idealen deutschen Volke jemals als ein wür-
diger Führer erscheinen können! Und vor allem traf er in seiner reli-
giösen Haltung mit den Gefühlen der Besten der Nation zusammen. Von
tiefinnerlicher Frömmigkeit, hat er doch eine edle Geistesfreiheit und
Duldsamkeit sein Lebenlang kundgegeben. Stark und wehrhaft nach
außen, geachtet und gefürchtet in einer Zeit, da das heilige römische Reich
zum Spielballe fremder Eroberungslust und zum Spotte der Völker ge-
worden, im Innern von einer bis dahin in Deutschland unbekannten Hin-
gebung an die Interessen des Staates und der Gesamtheit erfüllt, ein
Gemeinwesen von bürgerlicher Rechtsgleichheit, konfessioneller Duldsamkeit
und geistiger Freiheit, soweit es die Begriffe der Zeit gestatteten, so ging
der Staat des Kurfürsten auf seine Nachfolger über, befruchtet mit den
schönsten Keimen für eine große, ruhmreiche Zukunft. G. Webers
2. Friedrich der Große.
Als Friedrich Ii. den Thron bestiegen, ließen schon seine ersten Schritte
in jedem Zuge den König erkennen. Die etwa hofften, er werde nun
Rheinsberg nach Potsdam tragen, wurden freilich enttäuscht; Freunden,
Genossen und Verwandten gegenüber zeigte er den Herrscher in seinem
Ernste und seinem Pflichtgefühle. Die geistreichen Gesellschafter und Freunde
blieben zwar dem Könige, was sie dem Kronprinzen gewesen, aber sie
1 Georg Weber, geboren 1808 zu Bergzabern in der Pfalz, Professor und
Schuldirektor zu Heidelberg, wo er 1888 starb. Sein Hauptwerk: „Allgemeine Welt-
geschichte mit besonderer Berücksichtigung des Geistes- und Kulturlebens der Völker".