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1. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 8

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
8 I- Beschreibende Prosa: Geschichtliche und geographische Charakteristik. harrte, bis sein Antlitz sich zeigte, wie eine Sonne, an deren Strahlen man sich erfreuen wollte. Als aber die Räume verhängt waren, wo er in so harmloser Nähe seines Volkes lebte, blieben die Bürger wie durch einen Zauber gebannt und schauten lautlos nach dem Kaiserhause, bis sie endlich, zu Tausenden gedrängt, bei Tage wie bei Nacht an den offenen Sarg pilgerten, um noch einmal das ehrwürdige Angesicht zu sehen. Wahrlich, ein solcher Wechsel von Glück und Unbill, von geduldigem Ausharren und raschen Triumphen, von bitterer Verkennung und einer be- geisterten Liebe, wie sie uns nur aus Märchenklängen bekannt war, ist selten durch ein Menschenleben gegangen, und doch ist alles ein Ganzes, wie in dem Bilde eines Meisters, in welchem die Gestalten sich verworren durcheinander zu drängen scheinen, bis uns der Zusammenhang des Ganzen klar wird. Ja, dieses Bild von Kaiser Wilhelms Leben in seiner Mannigfaltigkeit und innern Einheit wird, solange es eine Geschichte giebt, immer einer der inhaltreichsten und erhebendsten Gegenstände menschlicher Betrachtung sein. Unverloren waren schon die Erlebnisse der frühesten Jugend. Der Eindruck einer bescheidenen und haushälterischen Einrichtung, die Erinne- rung an das sorgenvolle Antlitz des, Vaters, an die heimlichen Thränen einer unvergeßlichen Mutter haben den Kaiser durch sein langes Leben begleitet und ihn von früh an vor jeder Anwandlung von Überhebnng bewahrt. Die Unbeständigkeit menschlicher Dinge stand ihm immer vor Augen. Wer hat je ein Wort des Selbstrühmens von ihm gehört oder einen Blick des stolze,: Selbstvertrauens an ihm wahrgenommen? Von allen Erfolgen in Krieg und Frieden gab er Gott die Ehre und den Männern, die er ihm gegeben. Demut war das Ehrenkleid des Herrschers, der Purpur dieses Helden, dessen Thaten den Erdkreis erfüllten. Wichtig für den Lebensgang des Kaisers war es, daß er in voller Mannesreife stand, als ihm der Gedanke nahe trat, daß er auf den Thron seiner Väter berufen sein würde. Darum hat er sich so lange voll und ganz einem Berufe, dem Heerdienste, gewidmet und denselben von Stufe zu Stufe gewissenhaft durchgemacht. Hier ist ihm die rücksichtsloseste Pflichttreue im großen und kleinen zur andern Natur geworden. Hier hat er die Bedürfnisse des Soldaten, hier alle starken und schwachen Seiten unseres Heerwesens auf das genaueste kennen gelernt, so daß er in einem der wichtigsten Teile des Staatswesens ein vollkommen Sachverständiger war, als er die Verpflichtung fühlte, seinen Gesichtskreis nach allen Seiten zu erweitern. Deutlich erkannte er, was in Preußen, was in Deutschland anders werden müsse, und nimmer kann ich — denn warum sollte ich Bedenken tragen, heute vor Ihnen eigene Erinnerungen einzuflechten, die zu den teuersten meines Lebens gehören? — des 22. März 1848, heute vor
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