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1. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 11

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
3. Gedächtnisrede auf weiland Se. Majestät Kaiser Wilhelm I. 11 da sprach er es noch an demselben Abend mit der ihm eigentümlichen Verschmelzung von liebenswürdiger Milde und männlichem Ernste offen aus, wie voll er zu würdigen wisse, was das Vaterland von seinem Hause erwarte. Als Heersürst hat er Preußen groß gemacht und das Reich ge- gründet; aber niemals ist ein siegreicher König weniger kriegerisch und kampflustig gewesen. Er hatte ein weiches Gemüt. Er schämte sich der Thrmien so wenig wie die Helden Homers und bewährte der Hellenen Sprichwort: „Dem wackern Mann wird leicht das Auge feucht". Er mochte kein Torpedoschiff sehen, weil er sofort der engen Räume gedachte, in denen die Mannschaften untergebracht werden müssen, und im Felde trotzte er dem Kugelregen, um den Verwundeten noch dankend die Hand zu reichen. Kaiser Wilhelm war ein geborener Herrscher, der nüt gesundem Blick die Menschenwelt betrachtete, immer des Ganzen und Großen ein- gedenk. Darum hatte auch das Geringfügige für ihn Bedeutung. Von keiner Spazierfahrt kehrte er heim, ohne die Neubauten und den Ent- wicklungsgang der Stadt aufmerksam zu beobachten. Über jeden schönen Baum in und um Berlin wachte sein königliches Auge. Unserer Uni- versität war er ein huldvoller Nachbar, ein entschiedener Gegner aller Pläne, nach denen die Hauptstätten von Kunst und Wissenschaft aus dem Herzen seiner Residenz entrückt werden sollten. Er folgte dem Umbau unserer Hörsäle, und als er in einem kleinern Fenster das Licht ver- mißte, das er dort allabendlich zu sehen gewohnt war, erkundigte er sich, ob etwa einer der Hausdiener bei dem Umbau seine Wohnung eingebüßt habe. Den Vorständen der öffentlichen Kunstinstitute sagte er bei feinem Regierungsantritte, von ihm dürfe man nicht erwarten, was sein kunst- sinniger Bruder gethan habe. Er nahm für sich keine Kennerschaft, kein maßgebendes Urteil in Anspruch. Aber alles würdig Gedachte empfand er tief, und was immer dem Vaterlande zur Ehre gereichte, war seiner- lebendigen Teilnahme gewiß. Seinem königlichen Herzen that es wohl, daß nach blutigem Völkerkriege die Aufdeckung von Olympia das erste Friedenswerk des jungen Reiches war. Schritt für Schritt folgte er den Arbeiten und trat persönlich für ihre Vollendung ein, denn es sei nicht seine Art, etwas halbfertig liegen zu lassen. Mit freudiger Genugthuung begrüßte er die Bildwerke von Pergamon im Königlichen Museum und ließ sich gern vom Königsdenkmal aus Nimrud-dagh erzählen, dessen Großartigkeit er bewunderte. Nichts Heil- sames, so geringfügig es war, durfte unnütz verschoben werden, wenn es sich um öffentliches Gut handelte. Als er eines Abends davon hörte, daß nach dem Gutachten unseres Chemikers die farbigen Tonfiguren aus
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