1889 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Hense, Joseph, Führer, Anton
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): Jungen
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4. Gedächtnisrede auf weiland Se. Majestät Kaiser Friedrich I.
das Sterbegedächtnis des gefeiertsten Mannes, soweit die deutsche Zunge
klingt, und soweit die Nationen der Erde eingreifend oder aufmerkend
teilnehmen an dem Wandel und Wechsel der Zeiten. Der Schöpfer des
Deutschen Reiches, eines Werkes, das tief in der Vergangenheit wurzelt,
die Gegenwart mächtig beherrscht und bedingend und bestimmend in die
Zukunft der Völker und Staaten eingreift: der Heldengreis, welcher
drei Menschenalter in rüstiger Kraft und rastloser Thätigkeit durch-
lebte, Wilhelm I., hatte seine wachsamen Augen für immer geschlossen
und ruhte von seinem segensvollen Tagewerke zu den Füßen seiner hoch-
erlauchten Mutter, der unvergessenen und unvergeßlichen Königin Luise
oder, wie Goethe sie nennt, Preußens angebeteter Fürstin. Ganz Deutsch-
land trauerte; Europa, ja, die Welt bezeigte Beileid!
Aber unsere Trauer mäßigte und milderte ein Trost. Der Enkel
Luisens, der Sohn Wilhelms, der Liebling des Volkes: Friedrich Wilhelm,
Kronprinz des Deutschen Reiches und Kronprinz von Preußen, übernahm
das Erbe der Hohenzollern als deutscher Kaiser Friedrich I., als König
von Preußen Friedrich Iii. — Reich begabt an Geist und Gemüt, geschult
durch Gedankenarbeit, hochgebildet durch umfassende Studien, eine Ritter-
gestalt ohnegleichen, Fürstlichkeit auf der Stirne, Menschenfreundlichkeit
um Auge und Mund, und Leutseligkeit im Herzen, ruhmvoll als Kriegs-
held, aber friedereich wie sein Name, ein Kenner und Förderer von Kunst
und Wissenschaft, weitgereist unter fremdsprachigen Völkern über Land und
See, durch Ereignisse und Erfahrungen gereist, ein Muster und Vorbild
als Sohn, Gatte und Vater, kurz: ein Mann und ein Fürst in der beiden
Worte vollster und edelster Bedeutung — so weilte der Verewigte vor
vier Jahren im Weichbilde unserer Stadt, so erschien er in diesem Fest-
saale unserer Hochschule zur Seite des regierenden Vaters, dessen Erbe
und Nachfolger.
Prinz Friedrich Wilhelm Nikolaus Karl, wie seine Taufnamen lauten,
wurde während der Regierung seines Großvaters, Friedrich Wilhelms Iii.,
18 Jahre nach der Völkerschlacht bei Leipzig an deren Gedenktage geboren.
Nächstberechtigter Neffe seines kinderlosen Oheims, des nachmaligen Königs
Friedrich Wilhelm Iv., galt er von Geburt an als dereinstiger Erbe der
preußischen Krone. Diese Voraussicht wurde maßgebend für seine Er-
ziehung. Das Ziel der Hohenzollern war von jeher: Wohlfahrt des Landes
durch Wehrkraft des Volkes. Das eine kann ohne das andere nicht be-
stehen; jedwedes ist Grundlage und Bedingung des andern; beides aber
erheischt: Schulung des Geistes und Schulung des Körpers. Erst Lese-
buch und Schreibheft, dann Gewehrkolben und Schwertgriff — das macht
freu Preußen; das sind für unser Gesamtvolk die bewährten Mittel zur
allseitigen Entwicklung der innewohnenden Fähigkeiten und Kräfte. Aus