1889 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Hense, Joseph, Führer, Anton
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): Jungen
16 I- Beschreibende Prosa: Geschichtliche und geographische Charakteristik.
diesem Grunde ist Preußens Größe, ist Deutschlands Einigung gewurzelt,
gewachsen, geworden. Jene Doppelschulung fordert unser Fürstenhaus
vom Volke, und seinem Volke geht darin vorauf das Fürstenhaus.
König Friedrich Wilhelm I. that den Ausspruch: „Ein jeder Prinz
des Hauses Hohenzolleru muß Soldat sein und seinen Stolz darein setzen,
sich selbst alle guten Eigenschaften des Soldaten anzueignen." Prinz
Friedrich — das war damals der Rufname des verewigten Kaisers —
wurde solch ein Soldat. Als er seinen zehnten Geburtstag feierte und
nunmehr dem preußischen Herkommen gemäß in die Leibcompagnie des
ersten Garde-Regiments zu Fuß eintrat, stellte ihn König Friedrich Wil-
helm Iv. den Offizieren des Regiments vor mit den Worten: „Lieber
Fritz, du bist zwar noch sehr klein, aber lerne diese Herren nur kennen,
lerne von ihnen, deine Pflichten brav zu erfüllen; denn für den, der eines
Tages befehlen soll, ist es das allererste, gehorchen zu lernen." 25 Jahre
später zeigt Prinz Friedrich als Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen,
daß er befehlen gelernt hat durch Gehorchen. Als Oberbefehlshaber der
zweiten preußischen Armee, welche in der Stärke von vier Armeekorps von
Schlesien her in Böhmen einmarschiert war, erschien am heißen Tage von
Königgrätz nach mühsamem Eilmärsche im rechten Augenblicke und an
ausschlaggebender Stelle der mutige Königssohn. Von Kugeln umsaust,
brach er mit 50 000 Manu vorstürmend auf Chlum los, den Schlüssel
des Nachfeldes. Sein Eingreifen brachte den Sieg, die Schlacht ward
gewonnen, der Feldzug war entschieden. Spät abends begegneten sich
Vater und Sohn, der König und der Kronprinz. „Welch ein Moment,"
so schrieb der König an die Königin, „welch ein Moment nach allem Er-
lebten und am Abende dieses Tages! Ich selbst übergab Fritz den Orden
pour le mérite; die Thränen stürzten ihm herab!" — Das war — es
fehlen nur drei Tage — vor 22 Jahren.
Vier Jahre später führte der Sieger von Sadowa gegen den galli-
schen Störenfried die dritte Armee. „Die Rasse der Zukunft", wie Louis
Napoleon uns Deutsche einst genannt hatte, stand gegenüber der „grande
nation“. Die vermeintliche Zukunft war bereits handgreifliche Gegen-
wart. Was damals im Verlaufe weniger Monde geschah, welche welt-
geschichtlichen Ereignisse sich vollzogen, „welche Wendung" eintrat „durch
Gottes Fügung", das haftet in aller Erinnerung. Der Kampfesheld von
Weißenburg und Wörth, „unser Fritz", wie das deutsche Volk den preußi-
schen Kronprinzen mit liebender Bewunderung und stolzer Aneignung
nannte, gab mit seiner Armee den Ausschlag bei Sedan, belagerte die
bald gedemütigte Hauptstadt an der Seine und beging mit seinem erhabenen
Vater den großen Tag zu Versailles am 18. Januar 1871. Der preußische
Kronprinz oder, wie die Franzosen ihn bezeichneten, „le prince magna-