1889 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Hense, Joseph, Führer, Anton
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): Jungen
2. Der Einfluß der Heerzüge Alexanders d. Gr. auf die Wissenschaft. 45
Die macedonische Expedition, welche einen großen und schönen Teil
der Erde dem Einflüsse eines einzigen und dazu eines so hochgebildeten
Volkes eröffnete, kann demnach im eigentlichsten Sinne als eine wissen-
schaftliche Expeditio n betrachtet werden: ja, als die erste, in der ein
Eroberer sich mit Gelehrten aus allen Fächern des Wissens, mit Natur-
forschern, Landmessern, Geschichtsschreibern, Philosophen und Künstlern
umgeben hatte. Unter den geistreichen Begleitern des Königs glänzte vor
allen ein Verwandter des Aristoteles, Kallisthenes aus Olynth.
Von anserwählten Männern ans der Schule des Stagiriten unter-
stützt, hatte er, als ein schon in Griechenland mit der Natur vertranter
Philosoph, in den neu ausgeschlossenen weiteren Erdkreisen die Forschungen
seiner Mitarbeiter zu höheren Ansichten geleitet. Nicht die Pflanzenfülle
und das mächtige Tierreich, nicht die Gestaltung des Bodens oder die
Periodicität des Anschwellens der großen Flüsse konnten allein die Auf-
merksamkeit fesseln; der Mensch und seine Geschlechter in ihren
mannigfaltigen Abstufungen der Färbung und Gesittung mußten nach dem
eigenen Aussprnche des Aristoteles als der Mittelpunkt und Zweck der
gesamten Schöpfung erscheinen: „als komme der Gedanke des göttlichen
Denkens hienieden erst in ihm zum Bewußtsein". Aus dem Wenigen,
was uns von den Berichten des im Altertum so getadelten Ouesikritus
übrig ist, ersehen wir, wie sehr man in der macedonischen Expedition,
weit zum Sonnenaufgange gelangend, verwundert war, zwar die von
Herodot genannten dunkelfarbigen, den Äthiopen ähnlichen indischen
Stämme, aber nicht die afrikanischen kraushaarigen Neger zu finden. Man
beachtete scharf den Einfluß der Atmosphäre auf Färbung, die verschiedene
Wirkung der trockenen und feuchten Wärme. In der frühesten homerischen
Zeit und noch lange nach den Homeriden wurde die Abhängigkeit der
Luftwärme von den Breitegraden, von den Polarabständen vollkommen
verkannt; Osten und Westen bestimmten damals die ganze thermische Meteo-
rologie der Hellenen. Die nach dem Aufgang gelegenen Erdstriche wurden
für „sonnennäher", für „Sonnenländer" gehalten. „Der Gott färbt in
seinem Laufe mit des Rußes finsterm Glanze die Haut des Menschen und
kräuselt ihm dörrend das Haar." Alexanders Feldzüge gaben zuerst Ver-
anlassung, in einem großen Maßstabe die besonders in Ägypten zusammen-
strömenden afrikanischen Menschenrassen mit den arischen Geschlechtern
jenseits des Tigris und den altindischen sehr dunkel gefärbten, aber nicht
kraushaarigen Urvölkern zu vergleichen. Die Gliederung der Menschheit
in Abarten, ihre Verteilung auf dem Erdboden, mehr Folge geschichtlicher
Ereignisse als des langdauernden klimatischen Einflusses da, wo die Typen
einmal festgesetzt sind, der scheinbare Widerspruch zwischen Färbung und
Wohnort mußten denkende Beobachter auf das lebhafteste anregen. Noch