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1. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 115

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
5. Entstehung des Nibelungenliedes. 115 seine poetischen Überlieferungen sich zum Cyklus einer großartigen Götter- und Heldensage verknüpfen und ausdehnen. Bei demselben Volke aber wird man die eigentliche Volkspoesie in dem Maße zurückweichen sehen, in welchem die litterarische Bildung und die mit ihr verbundene Herrschaft dichterischer Persönlichkeit vorschreiten. Gedeihen und Absterben der Volks- poesie hängt überall davon ab, ob die Grundbedingung derselben, Teil- nahme des gesamten Volkes, feststehe oder versage; ziehen die edleren Kräfte sich von ihr zurück, dem Schriftentum zugewandt, so versinkt sie notwendig in Armut und Gemeinheit. L. Uhland *. 5. Entstehung des Nibelungenliedes^. 1. Die ersten Ursprünge des Nibelungenliedes, d. h. die Entstehung der Nibelungensage, liegen weit vor der Zeit, in welcher das uns bekannte Nibelungenlied entstand. Denn das Nibelungenlied ist nicht das Werk eines Dichters in dem Sinne, wie wir heute von poetischen Werken sprechen. Die Vorstellung, die wir uns von der Arbeit eines Roman- dichters etwa machen, wie er aus Erlebtem und Gedachtem, aus Fremdem und Eigenem, aus Überliefertem und Erfundenem eine einheitliche Kom- position erschafft, welcher sein Geist das eigentümliche und entscheidende Gepräge aufdrückt, diese Vorstellung müssen wir gänzlich fallen lassen, wenn es sich um die Entstehung des Nibelungenliedes handelt. An dem Nibelungenliede ist Jahrhunderte hindurch gearbeitet worden, bis es die Gestalt erhielt, in der wir es kennen. Und wenn wir die Personen wüßten, denen wir das Verdienst der Arbeit zuerkennen müssen, so würden auch sie ohne Zweifel nach Hunderten zählen. Das Gedicht selbst ist keineswegs ein einfaches unteilbares Wesen mit scharfen, markierten Zügen, das nur einmal vorhanden, nicht seines- gleichen hätte. Es ist keineswegs das einzige und ausschließliche Ziel jener Arbeit von Jahrhunderten, jener Bemühungen von zahllosen Dich- tern gewesen. Das Nibelungenlied ist nur ein Exemplar einer weit ver- breiteten, mit dem verschiedenen Himmel sich wandelnden Pflanze. Unser Nibelungenlied ist in Österreich gewachsen. In Westfalen aber sang man von Siegfried und Kriemhild und Attila ganz anders. Im fernsten Norden, auf Island, flüsterte die Muse den Dichtern von Sigurd dem Drachentöter und von der Jungfrau Brunhilde weit ver- schiedenen Gesang zu. Die altdänischen Heldenlieder weisen ihre beson- deren Züge auf, mit denen sie die Gestalten der Sage ausstatten. Und i i Siehe Teil Ii, S. 368. - Vgl. Teil I (2. Aust.), S. 24. 8 *
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