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1. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 157

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
15. Walther von der Vogelweide. 157 hätte. Jedenfalls ist es eine Thatsache, daß der unselige, mit Kaiser Heinrichs Tode anhebende Wahlstreit es war, der, ihn aus seiner behag- lichen Ruhe am Wiener Hofe aufschreckend, aus seinem Geiste die ersten Funken patriotischer Begeisterung schlug. Die ältesten Gedichte, deren Entstehungszeit bestimmt werden kaun, fallen, wenn nicht noch in des Kaisers Todesjahr, doch in den Ansang des Jahres 1198. Mit diesem großen und so verhängnisvollen Wendepunkte unserer Geschichte sehen wir Walthers Poesie das politische Gebiet betreten und jene Richtung ein- schlagen, der er durch volle 30 Jahre unerschütterlich treu geblieben und von der er bis zu seinem Tode nie auch nur um eines Fußes Breite ab- gewichen ist. Über die Wahl, die er zwischen den beiden Bewerbern um die deutsche Krone treffen sollte, war dieser klare, scharfblickende und gesinnungsvolle Geist keinen Augenblick schwankend: mit voller Entschiedenheit wandte er sich demjenigen zu, der durch seine Geburt auf die durch lange Ge- wohnheit geheiligte erbliche Nachfolge ein unbestreitbares Recht hatte, und ans dessen Seite alle standen, welche deutsch dachten und fühlten und des Reiches Größe und Wohlfahrt über die eigenen persönlichen Interessen stellten: Philipp von Schwaben. Noch von Wien aus erhob er seine Stimme zu dessen Gunsten, indem er das deutsche Volk aufforderte, Philipp die Krone aufzusetzen, und als sich durch Herzog Friedrichs Tod das bisherige Verhältnis gelöst und seines Bleibens dort nicht mehr war, begab er sich an des Königs Hof und in seinen Dienst. Über die Dauer dieses Verhältnisses zum staufischeu Könige fehlt uns jede sichere Andeutung. Doch hat es wohl nicht länger gewährt, als unbedingt nötig war, kaum über das Jahr 1204 hinaus. Von diesem Zeitpunkte an, wo sich Philipps Stellung befestigte, wo es ihm gelang, seinen Gegner in offener Schlacht aus dem Felde zu schlagen und die Herzen derer, die jenen zuerst erhoben, für sich zu erobern, und er infolge dieses doppelten Sieges 1205 nun auch zu Aachen gekrönt wurde, von dieser Zeit au verstummt auch Walthers politische Dichtung, und weder Philipps gewaltsamer Tod (1208), noch auch Ottos nunmehr einmütige Erhebung auf den deutschen Thron und dessen Krönung zum römischen Kaiser (4. Oktober 1209) vermochten ihr einen neuen Ton zu entlocken. Erst im Jahre 1210, als zwischen Otto und Innocenz der unheil- bare Bruch eintrat, als der kanm zuvor Gesalbte mit dem Banne belegt wurde, und neues schweres Unheil dem Reiche drohte, sehen wir Walthers patriotische Muse wieder aufwachen und für des Kaisers und des Reiches Recht mit jugendlicher Frische und Kraft sich erheben. Obschon gegen Otto wegen seines Charakters und seiner Vergangenheit nichts weniger als sympathisch gestimmt, schloß er sich ihm, als dem gesetzlichen Reichs-
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