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1. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 190

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
190 I. Beschreibende Prosa: Litteraturgeschichte. immer bedingungslos, er verweigerte sie zuweilen. Er hatte seine feste Politik, seine hergebrachten, begründeten Überzeugungen. Jetzt erst, im 19. Jahrhundert, begann bei uns die ruhige Verbreitung der „Sprache Goethes", die nun von Goethe selber als ein festes Idiom angewandt wurde. Und all diese Macht auf natürlichem Wege, langsam wie Bäume wachsen, erworben, ohne die leiseste Anwendung litterarischer Reklame. Goethe hatte einen solchen Widerwillen dagegen, sich dem Publikum auf- zudrängen, daß ihm oft genug die Geflissentlichkeit zum Vorwurfe gemacht worden ist, mit der er sich zurückzog. Seine ruhig ausharrende Persön- lichkeit ließ die Gegenbestrebungen zu Boden sinken. Es ist zu Goethes Gunsten von Anfang an viel geschrieben und gesprochen worden: es hätte ungedrnckt und ungesagt bleiben können, ohne an seiner Machtstellung zu ändern. So stirbt er endlich in hohem Alter. Das Land war erschüttert von seinem Verluste. Man kam sich verlassen und verwaist vor. Dann aber mußte man sich Helsen ohne ihn, und schließlich: man half sich. Denn all das, was oben aufgezählt ist als Goethes Thätigkeit, war sterblich wie er selber. Nun aber das, was unsterblich ist. Wie ein mächtiger Strom, aus dem weder gesäet noch geerntet wird, aber der die gewaltige Ader ist, die das Land belebt, ohne die ein Volk stumm und verlassen wäre, so belebt und beherrscht Goethes Gefilde der Strom seiner Dichtung. Mag er sich noch so sehr dem Gewühle der Menschen und der Geschäfte hingeben: einsam ist er zu gleicher Zeit, und nur das bewegt seine Einsamkeit, was er da, aus eigener Kraft, zu unsterblicher Dauer geschaffen hat. Goethe hatte die uns unbegreifliche Fähigkeit, in zwei Welten zugleich zu leben, die er völlig verbindet und dennoch zugleich völlig voneinander getrennt hält. Stück für Stück werden seine irdischen Schicksale für unsere Blicke sich zusammenziehen. Mit immer einfacheren Worten wird man sie ab- thun. Immer einsamer wird er dazustehen scheinen und endlich nichts übrig bleiben, als Goethe, der Schöpfer von Gestalten von ewiger Jugendkraft. H. Grimms 22. Goethes „Hermann und Dorothea" Ein Dichter, dem es nicht darum zu thun ist, eine Studie nach der Antike zu verfertigen, sondern mit ursprünglicher Kraft, national und volksmäßig zu wirken, wie es einem epischen Sänger geziemt, wird i i Hermann Friedrich Grimm, Sohn Wilhelm Grimms, geboren 1828 zu Kassel, Professor der Kunstgeschichte zu Berlin. - Vgl. Teil Ii, S. 231.
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