Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 288

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
288 Ii. Lehrende Prosa: Poetik und Ästhetik. Doch nicht genug, daß das, was die Fabel erzählt, eine Folge von Veränderungen ist; alle diese Veränderungen müssen zusammen nur einen einzigen anschauenden Begriff in mir erwecken. Erwecken sie deren mehrere, liegt mehr als ein moralischer Lehrsatz in der vermeinten Fabel, so fehlt der Handlung ihre Einheit, so fehlt ihr das, was sie eigentlich zur Hand- lung macht, und sie kann, richtig zu sprechen, keine Handlung, sondern muß eine Begebenheit heißen. Breitinger^. Ich würde von diesem großen Kunstrichter nur wenig gelernt haben, wenn er in meinen Gedanken noch überall recht hätte. — Er giebt uns aber eine doppelte Erklärung von der Fabel1 2. Die eine hat er von déni de la Motte entlehnt, und die andere ist ihm ganz eigen. Nach jener versteht er unter der Fabel „eine unter der wohlgeratenen Allegorie einer ähnlichen Handlung verkleidete Lehre und Unterweisung". — Der klare, übersetzte de la Motte! Und der ein wenig gewässerte, könnte man noch dazusetzen. Denn was sollen die Bei- wörter: wohlgeratene Allegorie, ähnliche Handlung? Sie sind höchst überflüssig. Doch ich habe eine andere wichtigere Anmerkung auf ihn verspürt. Richer sagt, die Lehre solle unter dem allegorischen Bilde versteckt (oaellü) sein. Versteckt! welch ein unschickliches Wort! In manchem Rätsel sind Wahrheiten, in den Pythagoreischen Denksprüchen sind moralische Lehren versteckt, aber in keiner Fabel. Die Klarheit, die Lebhaftigkeit, mit welcher die Lehre aus allen Teilen einer guten Fabel auf einnml hervorstrahlt, hätte durch ein anderes Wort, als durch das ganz widersprechende „ver- steckt", ausgedrückt zu werden verdient. Sein Vorgänger de la Motte hatte sich um ein gut Teil feiner erklärt, er sagt doch nur: verkleidet (déguisé). Aber auch „verkleidet" ist noch viel zu unrichtig, weil auch „verkleidet" den Nebenbegrifs einer mühsamen Erkennung mit sich führt. Und es muß gar keine Mühe kosten, die Lehre in der Fabel zu erkennen: es müßte vielmehr, wenn ich so reden darf, Mühe und Zwang kosten, sie darin nicht zu erkennen. Aufs höchste würde sich dieses „verkleidet" nur in Ansehung der zusammengesetzten Fabel entschuldigen lassen. In Ansehung der einfachen ist es durchaus nicht zu dulden. Von zwei ähn- lichen einzelnen Fällen kann zwar einer durch den andern ausgedrückt, einer in den andern verkleidet werden; aber wie man das Allgemeine in das Besondere verkleiden könne, das begreife ich ganz und gar nicht. Wollte man mit aller Gewalt ein ähnliches Wort hier brauchen, so müßte es anstatt verkleiden doch wenigstens einkleiden heißen. 1 Siehe Teil Ii, S. 21. 2 Der „Kritischen Dichtkunst" ersten Bandes siebenter Abschnitt, S. 194.
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer