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1. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 290

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
290 Ii. Lehrende Prosa: Poetik und Ästhetik. Und das ist meine obige Erklärung der Handlung, von der ich glaube, daß sie auf alle guten Fabeln passen wird. — Überhaupt hat Batteur die Handlung der Äsopischen Fabel mit der Handlung der Epopöe und des Dramas viel zu sehr verwirrt. Die Handlung der beiden letzteren muß außer der Absicht, welche der Dichter damit verbindet, auch eine innere, ihr selbst zukommende Absicht haben. Die Handlung der erstern braucht diese innere Absicht nicht, und sie ist vollkommen genug, wenn nur der Dichter seine Absicht damit erreicht. Der heroische und der dramatische Dichter machen die Erregung der Leiden- schaften zu ihrem vornehmsten Endzwecke. Er kann sie aber nicht anders erregen als durch nachgeahmte Leidenschaften; und nachahmen kann er die Leidenschaften nicht anders, als wenn er ihnen gewisse Ziele setzt, welchen sie sich nähern oder von welchen sie sich zu entfernen streben. Er muß also in die Handlung selbst Absichten legen und diese Absichten unter eine Hauptabsicht so zu bringen wissen, daß verschiedene Leidenschaften neben- einander bestehen können. Der Fabulist hingegen hat mit unseren Leiden- schaften nichts zu thun^sondern allein mit unserer Erkenntnis. Er will uns von irgend einer einzelnen moralischen Wahrheit lebendig überzeugen. Das ist seine Absicht, und diese sucht er, nach Maßgebung der Wahrheit, durch die sinnliche Vorstellung einer Handlung bald mit, bald ohne Ab- sichten zu erreichen. Sobald er sie erhalten hat, ist es ihm gleichviel, ob die von ihm erdichtete Handlung ihre innere Endschaft erreicht hat oder nicht. Er läßt seine Person oft mitten auf dem Wege stehen und denkt im geringsten nicht daran, unserer Neugierde ihretwegen ein Genüge zu thun. „Der Wolf beschuldigt den Fuchs eines Diebstahles. Der Fuchs leugnet die That. Der Affe soll Richter sein. Kläger und Beklagter bringen ihre Gründe und Gegengründe vor. Endlich schreitet der Affe zum Urteile: Tu non videri8 perdidisse, quod petis; Te credo surripuisse, quod pulchre negas.“ (Phaedr. I, 10.) Die Fabel ist aus; denn in dem Urteile des Asien liegt die Moral, die der Fabulist zum Augenmerke gehabt hat. Ist aber das Unternehmen aus, das uns der Anfang derselben verspricht? Man bringe diese Ge- schichte in Gedanken auf die komische Bühne, und man wird sogleich sehen, daß sie durch einen sinnreichen Einfall abgeschnitten, aber nicht geendigt ist. Der Zuschauer ist nicht zufrieden, wenn er voraussieht, daß die Streitigkeit hinter der Scene wieder von vorn angehen muß. — „Ein armer, geplagter Greis ward unwillig, warf seine Last von dem Rücken und rief den Tod. Der Tod erscheint. Der Greis erschrickt und fühlt betroffen, daß elend leben doch besser als gar nicht leben ist. ,Nun, was
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