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1. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 297

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
6. Wesen der Romanze und der Ballade. 297 Stoff ruhig, plastisch, hell und durchsichtig dar; dabei zeigt sie die dem Volke eigene gemessene Breite, eine gewisse Umständlichkeit in der Aus- führung, die sich bei jedoch gleichmäßig fortschreitender Erzählung oft auch auf kleine Momente erstreckt. Dieser epischen Behandlung unterliegt nun ein Stoff, der die charak- teristischen Eigenschaften des Spaniers, vorzugsweise des Kastiliers, auf das treueste wiederspiegelt. Diese sind aber hochfliegender Nationalstolz, tiefe Frömmigkeit, ritterliches Ehrgefühl und heißblütige Phantasie. Eben- dieselben Eigenschaften durchziehen den ganzen Stoff der Romanze. Der- selbe zeigt uns ein national begeistertes Volk im Kampfe gegen einen Feind, den es um so tapferer angreift, als es, durchdrungen von der Wahrheit seiner Religion und derselben in frommem Glauben auf das innigste ergeben, in dem politischen Feinde auch einen religiösen Gegner bekämpft; derselbe zeigt uns Helden, die bei christlicher Frömmigkeit und oft demutsvoller Bescheidenheit dennoch, entflammt von Gedanken des Idealen und Romantischen, in ritterlichstem Streben nur das hohe Ziel der vollen Freiheit des Vaterlandes und der Niederwerfung des Islams kennen. So faßt das dichtende Volk die Begebenheiten mehr von einem idealen Standpunkte auf und läßt daher, um die idealen Beweggründe des Handelns der ritterlichen Helden deutlich erkennen zu lassen, auch die Tendenz, die Idee derselben mit Hilfe der Reflexion hervortreten. Ein solcher Stoff hat nichts Schauerliches, nichts Grauenhaftes, er ist vielmehr, wenn auch nicht oft heiter, sondern meistens ernst, fast stets durchzogen von einer gewissen Milde, die uns angenehm berührt und uns selbst mit furchtbaren, grausigen Kämpfen zu versöhnen versteht. Daher erscheint uns auch der Cid vom Volke gefeiert, wenngleich in Widerstreit mit der Geschichte, als das Ideal eines christlichen Helden, den jede ritter- liche Tugend, Tapferkeit, Freiheitsliebe, Frömmigkeit, Demut, Hochherzig- keit u. s. w., auf das glänzendste ziert. Der lebhaften Phantasie des spanischen Volkes endlich entsprechend, liebt die Romanze in vollem Einklänge mit dem sonnigen, farbenprächtigen Laude, auf dessen Boden sie blühte, lichtvolle Schilderungen, glän- zende Einzelheiten, stimmungsreiche und schwungvolle Diktion. Der epischen Ebenmäßigkeit, der ruhigen Entwicklung der Er- zählung angemessen, ist die Romanze ursprünglich stets in Versen mit fallen- dem Rhythmus geschrieben, und zwar so, daß der vierfüßig trochäische Vers der Nationalvers des spanischen Volkes genannt werden kann. Bei dem großen Reichtume, den die spanische Sprache au voll tönenden Vokalen besitzt, sind die Verse stets durch Assonanz, oft auch durch Reim ver- bunden. Diese Form, die sogenannten Redondilien (Redondillas), weisen schon die ältesten Romanzen auf. Bald jedoch führte mau, wie auch die
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