Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 309

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
7. Die deutschen Dialekte. 309 die Seite setzen müssen. Es war jedoch besser, daß es unterblieb und daß nunmehr alle Deutschen mit gesammelter Kraft einer einzigen Sprache pflegen, die gleich der attischen streben sollte, über allen Dialekten zu schweben. Die Lautverschiebung^ ist das sicherste Kennzeichen, woran sich hochdeutsche Sprache von niederdeutscher unterscheiden läßt. Außer den Schwaben und Bayern sind auch Hessen, Thüringer und Langobarden hoch- deutsch. Alles, was sächsisch, friesisch, skandinavisch, gotisch heißt, beharrt entschieden bei der zweiten Stufe. Aber es gab eine Zeit, wo die hochdeutsche Verschiebung noch nicht da war und alle deutschen Dialekte auf der zweiten Stufe standen; es gab eine noch frühere Zeit, wo auch die zweite un- entwickelt war und alle deutschen Konsonanten zu den lateinischen stimmten. Innerhalb dieser Einheit und Verschiedenheit hat sich die ganze Ge- schichte deutscher Sprache entfaltet. Wir dürfen sechs bestimmt unter- schiedene Zungen ansetzen, welche, der Schrift teilhaft geworden, ihre Eigentümlichkeit behaupteten: die gotische, hochdeutsche, niederdeutsche, angel- sächsische, friesische und nordische. Von ihnen ist die gotische ganz, ohne daß etwas Neueres an ihre Stelle getreten wäre, erloschen. Die hoch- deutsche hat ihre Lebenskraft und Bildsamkeit bewährt und davon in drei Zeiträumen unverwerfliches Zeugnis abgelegt. Die niederdeutsche wurde zersplittert; man kann annehmen, daß ihr edelster Teil mit den Angel- sachsen auszog; aus dem Schoße der angelsächsischen Sprache aber erhob sich mit starker Einmischung des romanischen Elementes verjüngt und mächtig die englische Sprache. Zur Volksmundart herabgesunken ist der Friesen und Chauken Sprache, und ein gleiches gilt von einem großen Teile der altsächsischen, doch so, daß aus den Trümmern eines andern Teiles eine eigene niederländische Zunge neu erstand, obschon diese nicht ganz mit der altsächsischen Grundlage zusammenzufallen, sondern noch batavische oder fränkische Stücke in sich einzuschließen scheint. In Skandinavien sind sich altnordischer, schwedischer und dänischer Dialekt fast so zur Seite ge- stellt, wie auf dem festen Lande gotischer, hochdeutscher, niederdeutscher. Es haben sich also bis auf heute nur fünf deutsche Sprachen auf dem Platze behauptet: die hochdeutsche, niederländische, englische, schwedische und dänische, deren künftige Schicksale nicht vorausgesagt, vielleicht geahnt werden dürfen. Wie in den Völkern selbst thut sich auch in den Sprachen, die sie reden, eine unausweichliche Anziehungskraft der Schwer- punkte kund, und lebhaft erwachte Sehnsucht nach festerer Einigung aller sich zugewandten Stämme wird nicht nachlassen. Einen Übertritt der Niederländer zur hochdeutschen Sprache, der Dänen zur schwedischen halte ich in den nächsten Jahrhunderten sowohl für wahrscheinlich als allen 1 1 Siehe Teil I (2. Aufl.), S. 3.
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer