1889 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Hense, Joseph, Führer, Anton
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): Jungen
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C. Musteraufsätze für Schüler.
Der Stand der Fischer ist uns freilich zunächst nur vorgeführt durch
den Fischerknaben; in seinen Mund paßt eben besser der Inhalt des von
ihm gesungenen Liedchens; auch tritt der Fischer selbst sofort nach den
drei Eingangsliedchen auf. Sich schaukelnd im Kahne auf dem lächelnden
See, erfreut er sich der ersehnten Ruhe nach harter Arbeit und singt be-
geistert von den süßen Engelstimmen, die aus der Tiefe des Wassers her-
aufklingen und den am grünen Gestade schlafenden Knaben mit magischer
Kraft in die Tiefe hinabziehen.
Der Hirt wirft einen wehmütigen Blick zurück zu seinen Matten,
von denen er beim nahenden Winter Abschied nehmen muß; doch schon
freut er sich des kommenden Frühlings, wenn der Schnee zerrinnt und
die Brüunlein sich füllen, so daß sie fließen im lieblichen Mai, wenn
wieder der Vögel Sang ertönt und die Erde sich neu mit Blumen kleidet;
denn dann beginnt wieder die „Alpenauffahrt", dann ist der Freudentag
erschienen, an welchem Vieh und Hirten auf vier Monate fröhlich hinaus-
ziehen aus dem engen und beengenden Hause in die frische, freie, fröh-
liche Natur. Munter schreitet voran die Leitkuh, ihr nach die ganze
Herde, und zuletzt folgeu die Sennen mit Saumrossen, welche die Gerät-
schaften für die Milch tragen, aus welcher in der Sennhütte der mundende
Schweizerkäse oder Emmenthaler bereitet wird.
Wechselnder, aber ungleich gefährlicher ist das Leben des Jägers; er
schreitet verwegen ans Feldern von Eis und zagt nicht, wenn er selbst-
bewußt über den zitternden Steg geht, um kühn nachzueilen bent flüch-
tigen Gemsbocke; er genießt erst dann seines Lebens recht, wenn er in
Not und Gefahr es sich jeden Tag neu erbeutet.
Fischer, Hirten und Jäger sind die Träger der Handlung des Stückes.
Wir dürfen erwarten, daß diese kräftigen, wettergestählten, mit der Natur
ihrer Heimat auf das innigste verwachsenen, für die Freiheit und für ihr
schönes Vaterland begeisterten Gestalten, deren Heimats- und Vaterlands-
liebe deutlich aus ihren Liedern hervorklingt, alles daran setzen werden,
um das Vaterland in seiner Freiheit, dem teuersten Erbgute, zu schirmen
und zu erhalten.
So hat uns der Dichter durch meisterhafte Schilderung Land und
Leute kennen gelehrt; er hat uns zugleich große Teilnahme erweckt für
die erhabene Pracht des Landes und für die charakteristischen Züge der
Hanptklassen der Bevölkerung und hat so unsere Erwartung auf die
Handlung, die auf solchem Boden und von solchen Leuten vollführt sich
abspielen soll, wesentlich gesteigert.