1889 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Hense, Joseph, Führer, Anton
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): Jungen
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C. Musteraufsätze für Schüler.
2. Hintergrund desselben:
a) Thatsachen;
b) Zustände.
Ii. Wegen seiner Form.
1. Anlage;
2. Sprache;
3. Versform.
0. Zusammenfassung.
Ausführung.
Der römische Geschichtschreiber Tacitus erzählt uns in dem Buche
über Land und Leute des alten Germaniens unter anderem, daß die alten
Deutschen bei allen wichtigen Begebenheiten des Lebens ihren Empfin-
dungen einen poetischen Ausdruck gegeben hätten. An Stoff zum Singen
konnte es ja bei dem Thatendrange und der Unternehmungslust unserer
Vorfahren und vor allem bei den großen Heereszügen zur Zeit der Völker-
wanderung nicht fehlen, und selbst ohne das Zeugnis der Römer können
wir aus vereinzelten Zügen der spätern Dichtung, aus dem Reichtume
und der Form der deutschen Eigennamen und aus dem Ausdrucke deutscher
Rechtsformeln, die sich bei aller Beweglichkeit des äußern Lebens wie ein
fester Besitz von Vater auf Sohn vererbten, den Schluß ziehen, daß es
den Germanen an einer reichen und lebhaften Phantasie, dem Haupt-
werkzeuge der dichterischen Mnse, nicht gefehlt hat. Leider ist von dem
reichen Liedersegen, der aus so günstigen Verhältnissen mit Notwendigkeit
erblühen mußte, sozusagen nichts übrig geblieben. Der einzige nennens-
werte Nest ist das „Hildebrandslied", das uns durch einen mehr als ge-
wöhnlichen Zufall, aber ebenfalls als Bruchstück, überliefert worden ist.
Eine nähere Betrachtung dieses Liedes, das schon wegen seines Alters
ehrwürdig erscheint, wird ergeben, daß wir an demselben ein Kleinod
ersten Ranges besitzen, und daß es aus mehr als bloß chronologischen
Gründen an der Spitze der deutschen Litteraturgeschichte zu stehen verdient.
Der Stoff des Liedes ist dem ostgotischen Sagenkreise entnommen.
Die darin auftretenden Personen sind der in der deutschen Sage so sehr
gefeierte alte Recke Hildebraud, der auch in anderen bedeutsamen Erzeug-
nissen deutscher Dichtung, besonders im „Nibelungenliede", eine hervor-
ragende Rolle spielt, und sein heldenhafter Sohn Hadubraud. Die Schick-
sale beider Personen bis zu ihrem in dem Liede geschilderten Zusammen-
treffen erregen nicht allein deswegen unsere Teilnahme, weil sich in ihnen
der gewöhnliche Gang des damaligen Heldeulebens wiederspiegelt, sondern
auch, weil uns darin rührende, allgemein menschliche Verhältnisse in einem