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1. Dichtung des Mittelalters - S. 201

1903 - Freiburg im Breisgau : Herder
23. Walther von der Vogelweide. 201 Die höheren Lebensjahre stimmen den Dichter ernster: sein Minne- lied ist fast ganz verstummt; er klagt in herben Tönen über den Verfall der Minne, der Zucht und heitern Fröhlichkeit, über die Vergänglich- keit und Nichtigkeit alles Irdischen, die ihm bei einem Besuche seiner Jugendheimat besonders auffällt. Sein Sinn richtet sich auf himm- lische Dinge; er sehnt sich nach dem Heiligen Lande, in der freudigen Hoffnung, daß dort all sein Leid gestillt, und seliger Friede über ihn kommen werde. Ob er jedoch an dem Kreuzzuge Friedrichs (1228) teil- genommen hat, ist zweifelhaft. Noch erhebt sich seine Muse zu einem Marienleich voll würdiger Kraft und erhabener Feierlichkeit, da rafft ihn der Tod, etwa gegen das Jahr 1230, dahin. Er fand die letzte Ruhe- stätte auf dem stillen, von einem Kreuzgange umschlossenen Hofe des neuen Münsters zu Würzburg 1. Verfall der Sangcskunjl. Owe hovelichez singen, daz dich ungefüege dcene selten ie ze hove verdringen ! daz die schiere got gehoene! owe, daz din wirde also ge- liget, des sint alle dine friunde untre, daz muoz eht so sin, nü si also: frö 2 Unfuoge, ir habt gesiget. Der uns freude wider brsehte, diu reht und gefüege wsere, hei wie wol man des gedachte, swä man von im seite msere! Weh dir, höffsch edles Singen, Daß dich ungefüge Töne So von Hof zu weichen zwingen! Ob sich Gott dir nie versöhne? Weh, wie nun dein Preis danieder- liegt ! Keinen deiner Freunde sieht man froh: Muß es denn so sein, so sei es so: Unfug, du hast obgesiegt. Wer uns Freude wieder brächte, Die der rechten Kunst entspränge. Wie man rühmend sein gedächte, Wo sein Name nur erklänge! 1 Nach einer handschriftlichen Sage soll Walther in seinem Testamente verfügt haben, daß auf seinem Grabstein den lieben Vögelein täglich dreimal Weizenkörner und in vier eingehauenen Löchern Wasser gegeben werden sollte. Die Grabschrift im Kreuzgange lautete: Pascua qui volucrum vivus, Walthere, fuisti, Qui flos eloquii, qui Palladis os, obiisti! Ergo quod aureolam probitas tua possit habere, Qui legit, hic dicat »Deus, istius miserere!“ Der du die Vögel fo gut, o Walther, zu weiden verstandest, Blüte des Wohllauts einst, der Minerva Mund, du entschwandest! Daß nun der himmlische Kranz dir Redlichem werde beschieden, Spreche doch, wer dies liest: „Gott gönn' ihm den ewigen Frieden!" (Simrock.) 2 frö — frouwe (Frau).
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