1903 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Hense, Joseph, Führer, Anton
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Inhalt: Zeit: Mittealter
- Geschlecht (WdK): Jungen
§ 27. Die Zeit des Verfalles der Poesie.
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auf das Praktische, das Materielle gerichtet war, so konnten, zu-
mal bei der geringen Bildung der Bürger, auch nur das enge Gebiet
der alltäglichen Wirklichkeit oder Stücke ans der Bibel Gegenstand
ihrer Dichtung sein, den die meistens mühsame Künstelei der Form nicht
zu heben vermochte.
So fehlte zunächst der Stoff für ein Volksepos; das, was aus
dem Gebiete des Epos geleistet wurde, war lediglich eine geistlose Über-
arbeitung der alten Heldengedichte (z. B. das Heldenbuch des Kaspar von
der Roen um 1472). Nur finden wir eine Anzahl epischer, meist
historischer Volkslieder, in denen frische Natürlichkeit, wirklich
poetischer Geist sich erhalten hat, so außer mehreren balladenmäßigen
Dichtungen namentlich die Lieder, welche aus die bei Sempach (1386),
bei Granson und Murten (1476) erfochtenen glänzenden Siege gedichtet
wurden.
Das Tierepos erfreute sich einer neuen Bearbeitung, und zwar
einer niederdeutschen. Der ersten deutschen Bearbeitung der Tiersage durch
Heinrich den Glichesäre (S. 31) war um 1250 durch Willem de
Matoc eine flämische Bearbeitung nach französischem Vorbilde unter dem
Titel Höinuerb gefolgt. Dieses vorzügliche Werk war im 14. Jahr-
hundert von einem geringeren Dichter fortgesetzt und im 15. durch Hinrik
von Alkmar einer Umarbeitung unterzogen worden. Gegen Ende des-
selben Jahrhunderts übertrug sie ein Unbekannter in das Niederdeutsche
unter dem Titel: Reineke de Vos (Reineke der Fuchs), gedruckt zu
Lübeck 1498.
Eingang.
It geschah up einen pinxten-
dach,
dat men de wolde unde velde sach
grone stän mit lös unde gras,
und mannich vogel vrolik was
mit sänge in hagen unde up bomen;
de krude sproten unde de blomen,
de wol roken hir und dar;
de dach was schone, dat weder klär.
Nobel, de konnink van allen deren,
heit hof unde let den ütkreieren
sin lant dorch over al.
dar quemen vele heren mit grotem
schal,
ok quemen to hove vele stolter
gesellen,
Es war an einem Psingstentag
Der Mai auf Wald und Wiesen
lag;
Es grünte Laub und Gras hervor;
Die Vöglein all im hellen Chor
Auf Hecken und auf Bäumen sangen;
Die Kräuter und die Blumen sprangen
Und gaben wundersüßen Duft;
Der Tag war schön und klar die
Luft.
Der König von den Tieren allen,
Nobel, hielt Hof und ließen er-
schallen
Den Ruf durchs Land allüberall.
Da kamen Herren viel mit Schall,
Stolze Gesellen allzumal.