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1. Dichtung der Neuzeit - S. 59

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 15. „Messias" von Klopstock. 59 O, ihr Engel, die ihr bei der Krippe seiner Gebnrt sangt. Wenn das wäre! Sie denkt's. Schon eilt sie die Marmorgelünder 50. Unverhüllter hinauf und geht in den schweigenden Sälen. Aber nicht lang, so kommt aus einem fernen Gewölbe In des Palastes Seite, die sich zu dem Richtstuhl hinzog. Eine Römerin her und sieht Maria. Die junge Bleiche Römerin blieb, so wie gelöst ihr das Haar floß Und das leichte Gewand die bebenden Glieder herunter. Voll Bewunderung stehen. Denn die Mutter des Unerschaffenen Zeigte, wiewohl der Schmerz sie verhüllte, in ihren Gebärden Eine Hoheit, von Engeln, weil die auch dann sie verstanden. Noch bewundert; verhüllt vom Schmerze, stieg sie am tiefsten 60. Zu den Menschen hinab, von ihnen bewundert zu werden: Denn die kannten nicht, was an der Heitern die Himmlischen sahen. Endlich redet die Römerin: „Sag, o sage, wer bist du? Wer du auch seist, noch nie hab' ich diese Hoheit gesehen, Diesen göttlichen Schmerz!" Da unterbrach sie Maria: „Wenn du wirklich das Mitleid, das du in deinem Gesicht hast. Auch in dem Herzen empfindest, so komm, o Römerin, führe Mich zu Portia!" Mehr noch erstaunt, antwortete mit leiser. Sanfter Stimme die Römerin: „Ich bin Portia." — „Du bist Portia selbst? Ein geheimes, ein linderndes, stilles Verlangen 70. Wünschte mir Portia so, da ich dich sahe. Du bist es Also selber, o Römerin? Zwar du kennest die Schmerzen Einer Mutter nicht ganz, die zu einem Volke gehöret. Welches ihr haßt; doch Israelitinnen selber erzählen, Daß dein Herz voll Menschlichkeit sei. Der Mann, den Pilatus Richtet, er hat kein Übel getan, den Tyrannen verklagen! Ich bin seine Mutter!" Maria hat es gesprochen. Portia blieb vor ihr stehn und sah mit sanftem Erstaunen, Mit Entzückung sie an. Denn über den Kummer des Mitleids Siegte der höhere Gedanke. Sie konnte jetzt nur bewundern. 80. Endlich rief sie: „Er ist dein Sohn? Glückselige, du bist Dieses Göttlichen Mutter? du bist Maria?" Dann wendet Sie sich von ihr und richtet gen Himmel ihr staunendes Auge. „Sie ist seine Mutter, ihr Götter! Euch, mein' ich, ihr höh're, Bessere Götter, die mir in dem Traume voll Ernst sich entdeckten. Jupiter heißt ihr nicht, ihr heißet nicht Phöbus Apollo. Aber wie euer Name auch heißt, ihr seid es, ihr sandtet Mir die Mutter des größten der Menschen, wenn er ein Mensch ist! Und mich bittet sie? Nein, bitte mich nicht! o, führe Mich vielmehr zu ihm hin, zu deinem erhabenen Sohne, 90. Daß er der Dunkelheit mich, den Zweifeln, entreiße, von fern nur Auf mich blicke und mir die Lehre der Gottheit entfalte!"
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