Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Dichtung der Neuzeit - S. 103

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 25. Bürger. 108 und durch Percys Sammlung altenglischer Balladen (Reliques of ancient English Poetry, 1765) zur Balladendichtung angeregt, schuf er die Dich- tung „Lenore", die ganz Deutschland im Fluge durcheilte. Einfacher volks- tümlicher Stofs, entnommen einer düstern, geheimnisvoll grausigen Sage, angelehnt an den das Volk mächtig aufregenden Siebenjährigen Krieg, knappe Form bei rasch fortschreitender Handlung, die, dialogisch-dramatisch ge- halten, den Leser in immer größere Spannung versetzt, volkstümliche Kraft des Ausdrucks bei harmonischem Wohlklang der Sprache, leicht fließender Versbau machen die Lenore zu einer Musterballadeu Weniger be- deutend, wenn auch getragen von dramatischer Lebendigkeit und nicht ohne Wohllaut der Sprache, sind: „Der wilde Jäger", „Die Kuh", „Der Kaiser und der Abt" und das an phrasenhaft schwülstigem Tone leidende „Lied vom braven Mann". Andere Balladen dagegen, in denen der Dichter Volkstümliches und Gemein-Derbes verwechselt, enthalten bei oft leerem Klingklang von Worten manches Unschöne, Grobe und selbst Anstößige und verletzen so die Würde der Poesie, für welche Schiller mit Recht „immer gleiche ästhetische und sittliche Grazie, männliche Würde, Gedankengehalt, hohe und stille Größe" in Anspruch nimmt. Außer einigen volkstümlichen Liedern, z. B. „Herr Bacchus ist ein braver Mann", „Ich rühme mir mein Dörfchen hier", sind noch als bedeutsam hervorzuheben seine Sonette, denen selbst der dem Dichter wenig geneigte Schiller das Lob zuerkannte, daß sie, „Muster ihrer Art, auf den Lippen des Deklamators sich in Gesang verwandeln". 1. Lenore. Lenore fuhr ums Morgenrot Empor aus schweren Träumen: „Bist untreu, Wilhelm, oder tot? Wie lange willst du säumen?" — Er war mit König Friedrichs Macht Gezogen in die Prager Schlacht Und hatte nicht geschrieben, Ob er gesund geblieben. Der König und die Kaiserin, Des langen Haders müde, Erweichten ihren harten Sinn Und machten endlich Friede; Und jedes Heer niit Sing und Sang, Mit Paukenschlag und Kling und Klang, Geschmückt mit grünen Reisern, Zog heim zu seinen Häusern. 1 j Und überall, allüberall. Auf Wegen und auf Stegen, Zog alt und jung mit Jubelschall Den Kommenden entgegen. „Gottlob!" rief Kind und Mutter laut, „Willkommen!" manche frohe Braut; Ach, aber für Lenoren War Gruß und Kuß verloren. Sie frug den Zug wohl auf und ab Und frug nach allen Namen; Doch keiner war, der Kundschaft gab Von allen, so da kamen. Als nun das Heer vorüber war. Zerraufte sie ihr Rabenhaar Und warf sich hin zur Erde Mit wütiger Gebärde. 1 Siehe Teil Iii, S. 249: „Wesen der Romanze und der Ballade" von Hense.
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer