1908 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Führer, Anton, Hense, Joseph
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Inhalt: Zeit: Neuzeit
- Geschlecht (WdK): Jungen
110 Siebte Periode oder zweite Blüteperiode, von 1748 ab.
von Klopstock (Briefe 18 19 51 111), Wieland (Briefe 7—14 und 63),
Gottsched (Briefe 16 und 17) usw. eine freimütige und strenge Kritik.
Auch griff er zurück auf Gleim (Brief 15), auf Kleist (Brief 40), auf
Logau (Briefe 36 und 43), dessen Dichtungen er selbst mit Ramler heraus-
gab, wies hin auf neue Bahnen der Literatur, machte aufmerksam auf
Shakespeare (Brief 17), auf das Volkslied und stellte unter Warnung vor
allem Unedlen und Undeutschen die Kriterien einer guten Dichtung auf,
deren Schönheit auf der Harmonie der einzelnen Teile, deren Lebens-
fülle auf der Darstellung der nationalen Gegenwart beruhe.
Von noch größerer Tragweite für die Literatur erwies sich „Laokoon *
oder über die Grenzen der Malerei und Poesie" (erster Teil). Der
Titel Laokoon stammt von jenem antiken Kunstwerk, welches, von den
rhodischen Bildhauern Agesander, Athenodorus und Polydorus^ in den
letzten Jahrhunderten vor Christus oder nach Lessings Ansicht unter den
ersten Kaisern ausgeführt und im Jahre 1506 unweit Rom aufgefunden^,
den trojanischen Priester Laokoon mit seinen beiden Söhnen von einem
Schlangenpaar umschlungen darstellt. Denselben Gegenstand behandelt
Vergil in seiner Äneide Ii 199 usw. Bei einer Vergleichung jenes Kunst-
werkes mit der Schilderung des Dichters hatte der berühmte Archäolog
Winckelmann^ rühmend hervorgehoben, daß der schlangenumwundene
und gebissene Priester in der plastischen Gruppe „kein schreckliches Geschrei
erhebe, wie Vergil von seinem Laokoon singt", und durch „ein ängstliches
' Vgl. Goethes Aufsatz: „Laokoon" in Teil Iii, S. 56.
2 Laocoon, qui est in Titi imperatoris domo, opus omnibus et picturae et
statuariae artis praeponendum. Eum et liberos draconumque mirabiles nexus de
consilii sententia fecere summi artifices Agesander et Polydorus et Athenodorus
Rhodii (Plinius, Hist. nat. 1, 36, sect. 4, n. 11).
3 Dasselbe befindet sich jetzt im Vatikanischen Museum zu Rom.
4 Johann Joachim Winckelmann (1717—1768), geboren zu Stendal als Sohn
eines Schuhmachers, wurde nach umfassenden Studien, die er trotz großer Dürftig-
feit unermüdlich mit gewaltigem Fleiß betrieb, Bibliothekar des Reichsgrasen von
Bünau zu Röthenitz bei Dresden. Hier und in der Musenstadt Dresden an regem
Kunstleben sich beteiligend, trat er 1754 zum Katholizismus über, um sich in Rom
seinem Lieblingsstudium, der antiken Kunst, widmen zu können. In Rom wurde
er vom Bibliothekar der Vatikanischen Bibliothek zum Oberausseher aller römischen
Altertümer befördert und schrieb seine durch glänzende Darstellung ausgezeichnete
„Geschichte der Kunst des Altertums" (1758—1763). Auf einer Reise nach der
Heimat wurde er in Triest von einem habsüchtigen Italiener ermordet. Mit hin-
gebendster Begeisterung umfaßte Winckelmann die Antike, deren Gebilde ihm die
Gesetze des Schönen, edle Einfalt und stille Größe, offenbarten. In ihnen sah er das
Ideal der Klassizität, deren Gesetze alsbald auf Baukunst, Bildnerei und Malerei
einen durchschlagenden Einfluß ausübten.