1908 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Führer, Anton, Hense, Joseph
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Inhalt: Zeit: Neuzeit
- Geschlecht (WdK): Jungen
144
Siebte Periode oder zweite Blüteperiode, von 1748 ab.
bisherigen Ordnung zu durchbrechen. In der Rückkehr zur Natur durch
Beseitigung der durch Religion und Herkommen geschmiedeten Fesseln, durch
Kampf gegen Staat und Fürst wollte man das Ideal der neuen Welt
erkennen, deren Losung auf dem politischen und sozialen Gebiete der Ruf
„Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" wurde. Die Periode dieses geistigen
Kampfes wurde nach dem im Jahre 1777 herausgegebenen Drama
„Sturm und Drang" von Klinger in treffender Bezeichnung „die
Sturm- und Drangperiode" oder auch die „der Original- und
Kraftgenies" genannt.
Als Vertreter dieser Periode ist zunächst bemerkenswert der eben
genannte Klinger (geb. 1752 zu Frankfurt a. M., gest. 1831 als
russischer Generalleutnant und Kurator der Universität Dorpat), zu seiner
Zeit berühmt durch sein Trauerspiel „Die Zwillinge" und durch sein Lust-
spiel „Die Spieler". Ersteres, dessen Idee, Bruderzwist und Brudermord,
auch Schiller in seiner „Braut von Messina" behandelt, errang über das
gleichartige, in Lessingschem Geiste gehaltene Trauerspiel „Julius von
Tarent" von Leisewitz (geb. zu Hannover 1752, gest. zu Braunschweig
1806) den Sieg, weil es die Leidenschaft der Genieperiode atmete; letzteres
bot Schiller mehrere Motive für seine „Räuber". Neben diesen sind zu
nennen der leidenschaftliche Deutschrusse Lenz (geb. 1751 in Livland,
gest. in dürftigsten Verhältnissen zu Moskau 1792), der zuchtlose Friedrich
Müller, genannt „Maler Müller", und Daniel Schubart, der seinen
Tyrannenhaß („Die Fürstengruft") mit zehnjähriger Haft auf dem Hohen-
asperg büßen mußte (besonders bekannt seine lyrische Rhapsodie „Der
ewige Jude").
Zu den Kraftgenies gehörte in seiner Jünglingszeit, wie
Schiller, dessen erste Dramen ganz dem Charakter der Zeit entsprechen,
auch Goethe, wie er in folgenden Worten deutlich kundgibt: „Es ist
einmal Zeit, daß man aufgehört hat, über die Form dramatischer Stücke
zu reden, über ihre Einheiten, und wie das Zeug alles heißt, und daß
man nunmehr stracks auf den Inhalt losgeht, der sich sonst von selbst zu
geben schien; es ist im Grunde doch besser, ein verworrenes Stück machen
als ein kaltes."
Einzelne dieser Kraftgenies, welche die Ungebundenheit als Zügel-
losigkeit auf ihr eigenes Leben übertrugen, gingen elend zu Grunde,
und nur die edleren Geister, wie Goethe und Schiller, arbeiteten
sich aufwärts und gingen geläutert aus der Periode des Sturmes
hervor.