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1. Dichtung der Neuzeit - S. 202

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
202 Siebte Periode oder zweite Blüteperiode, von 1748 ab. sprechen, die im Charakter des Individuums und der Situation richtig und treffend und auch von beiden abgelöst allgemein gültig sind." Goethes letztes und größtes Drama ist „Faust", eine Tragödie, eine freie Vertiefung der dem 16. Jahrhundert entstammenden Volkssage von dem Zauberer Doktor Faust, welche als Volksbuch 1587 zu Frank- furt gedruckt war. Der geschichtliche Faust, Arzt in Süddeutschland, trieb sich in den Jahren 1506—1586 als Zauberer, Wahrsager und Astrolog weit herum, führte ein zügelloses Leben und beschwor den Teufel, dem er sich mit seinem Blute verschrieb. Dieser verschaffte ihm alles, wo- nach ihn gelüstete, und führte ihn endlich in die Hölle. Schon in seiner Jünglingszeit war Goethe auf den Stoff aufmerksam geworden; er entschloß sich, sein eigenes Leben und Streben im „Faust" zum Ausdruck zu bringen, als er im Jahre 1773 in seiner Vaterstadt „des Doktor Faust Höllenfahrt" als Puppenspiel sah („Wie er, hatte auch ich mich in allem Wissen umhergetrieben und war früh genug auf die Eitelkeit desselben hingewiesen; wie er, hatte auch ich es im Leben auf allerlei Weise versucht und war immer unbefriedigter und gequälter zurückgekommen"). Daher ist er an der Dichtung sein ganzes Leben, wenn auch mit großen Unterbrechungen, tätig gewesen von 1774 bis 1831. In diesem letzteren Jahre versiegelte er nahe vor seinem Tode den zweiten Teil des Werkes, damit derselbe erst nach seinem Tode veröffentlicht werde. 1790 war „Faust" zunächst als Fragment herausgegeben, 1808 der erste Teil er- schienen. Diese langjährige Beschäftigung mit dem Werke ist auf die Auf- fassung, die Komposition und den Stil, namentlich im zweiten Teil, nicht ohne großen Einfluß geblieben. Das Stück beginnt mit zwei Vorspielen. Im ersten stellen der Theaterdirektor, der Dichter und die lustige Person, jeder nach seinem Standpunkte, die Ziele der dramatischen Kunst dar, im zweiten „Der Prolog im Himmel" erscheint der Teufel Mephistopheles beim Herrn, um das Thema des Ganzen im folgenden Dialog zu besprechen: (H.) „Wenn er (Faust) mir jetzt auch nur verworren dient, So werd' ich ihn bald in die Klarheit führen." — (M.) „Was wettet Ihr? Den sollt Ihr noch verlieren! Wenn Ihr mir die Erlaubnis gebt, Ihn meine Straße sacht zu führen." — (H.) „Solang er auf der Erde lebt, So lange sei dir's nicht verboten, Es irrt der Mensch, solang er strebt." — „Ein guter Mensch in seinem dunkeln Drange, Ist sich des rechten Weges wohl bewußt." In der Tragödie selbst erscheint Faust als ein Mann, der im Streben nach Wahrheit alle Tiefen der Wissenschaften durchforscht hat, ohne irgend Befriedigung gefunden zu haben. Als auch der Erdgeist, den er gerufen, ihn ab- weist mit den Worten: „Du gleichst dem Geist, den du begreifst, Nicht mir", greift er zu der Giftphiole, da er sich bereit fühlt, „Auf neuer Bahn den Äther zu durch- dringen, Zu neuen Sphären reiner Tätigkeit". Doch der festliche Klang der Oster- glocken und der Chorgesang der Engel: „Christ ist erstanden!" halten ihn vom
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