1908 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Führer, Anton, Hense, Joseph
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Inhalt: Zeit: Neuzeit
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Achte Periode.
Ein Morgen, rot und golden.
Hat uns den Mai gebracht;
Da trat mit seiner Holden
Der Prinz aus Waldesnacht.
Es schreiten die alten Meister,
In hehrem, stolzem Gang,
Wie riesenhafte Geister,
Mit fremdem Wundersang.
Die Täler, schlummertrunken,
Weckt der Gesänge Lust;
Wer einen Jugendfunken
Noch hegt in seiner Brust,
Der jubelt, tiefgerühret:
„Dank dieser goldnen Früh',
Die uns zurückgeführet
Dich, deutsche Poesie!"
Die Alte sitzt noch immer
In ihrem Kämmerlein;
Das Dach zerfiel in Trümmer,
Der Regen drang herein.
Sie zieht noch kaum den Faden,
Gelähmt hat sie der Schlag;
Gott schenk' ihr Ruh' in Gnaden
Bis über den jüngsten Tag!
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3. Uhlands dramatische und prosaische Werke.
Von einer großen Anzahl dramatischer Entwürfe Uhlands sind nur zwei
vollendet worden: „Ernst, Herzog von Schwaben" und „Ludwig
der Bayer". Der Plan zu dem ersten Drama wurde gefaßt im Früh-
jahr 1816, die Ausführung begann im September desselben Jahres, die
Vollendung erfolgte im Juli des folgenden. Der Stoff ist Wipos Vita
Chuonradi (Ii., deutscher Kaiser von 1024 bis 1039) entnommen und hat
zur Grundidee die in Not und Tod gegen den Freund bewährte
deutsche Treue (Herzog Ernst von Schwaben und Werner von Kyburg,
ein edles Freundespaar). Einen ähnlichen Grundgedanken, das treue
Festhalten am verpfändeten Wort, entwickelt in der Person des
Kaisers Friedrich von Österreich das Schauspiel „Ludwig der Bayer"
(Kaiser von 1314 bis 1347), begonnen am 10. Februar 1818 und bereits
am 15. Mai desselben Jahres vollendet. Beide Dramen haben edeln
Gehalt, erhebende Würde und ragen hervor durch meisterhafte
Sprache voll poetischen Schwunges; sie enthalten jedoch zu viel
ruhigen Ernst und bei vorwaltendem epischen Gepräge ein zu geringes
dramatisches Leben, als daß sie auf der Bühne besonders wirksam sein könnten.
Auch als Gelehrter verdient Uhland alle Anerkennung; er begründete
durch seine Studien über das altfranzösische Epos das romanistische Sprach-
studium und erwarb sich auf dem Gebiete der vaterländischen Literatur
durch seine Werke „Walther von der Vogelweide, ein altdeutscher