1908 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Führer, Anton, Hense, Joseph
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Inhalt: Zeit: Neuzeit
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Achte Periode.
Kranz Grillparzer (1791—1872).
Franz Grillparzer, geb. am 15. Januar 1791 zu Wien, wurde
in seiner Jugend von schweren Schicksalsschlägen heimgesucht; aus niedriger
Stellung langsam aufrückend zum Archivdirektor, trat er 1856 als Hofrat
in den Ruhestand. Schüchtern, in der Wertung seiner Dramen verkannt
und selbstquälerisch von der Außenwelt sich abschließend, fand er die ver-
diente Auszeichnung als Dramaturg erst in seinem hohen Greisenalter. Er
starb zu Wien am 21. Januar 1872, allgemein betrauert und gepriesen
als „Klassiker Österreichs", mit Recht als ein „gottbegnadigter
Tragöde unter dem flachen Nachwuchs" bezeichnet. Schon durch sein
erstes Drama „Die Ahnfrau", eine Schicksalstragödie, reich an drama-
tischem Leben, an erschütternder Tragik und ausgezeichnet durch klangvolle
Sprache (1817), erregte er großes Aussehen. Von höherer Bedeutung sind
zwei dem Altertum entnommene Stücke: „Sa pp ho" (1819) und „Das
goldene Vließ" (1820), ausgezeichnet durch einheitliche Handlung, folge-
richtig fortschreitenden Aufbau, klare Zeichnung der sittlichen Konflikte und
durch edle, kräftige und poetische Sprache.
„Sappho", die nicht undeutlich auf Goethes „Iphigenie" hinweist,
dürfte als sein Meisterwerk zu bezeichnen sein.
Lorbeergekrönt aus Olympia in die Heimat zurückkehrend, aber von ihrem hohen
dichterischen Ruhme nicht voll befriedigt, strebt Sappho nach dem Glücke der Liebe.
Sie schenkt ihr Herz dem Phaon, einem für ihre Kunst begeisterten Jüngling.
Aber bald schon gewinnt sie die Überzeugung, daß er zu ihr als einem höheren,
mit göttlichen Gaben ausgestatteten Wesen wohl bewunderungsvoll emporschaut, aber
nicht wahre Liebe für sie empfindet, ja sein Herz ihrer reizenden Dienerin Melitta
geweiht hat. Von Eifersucht und Verzweiflung gequält, läßt sie das entflohene Liebes-
paar rachsüchtig verfolgen und zurückbringen, ringt sich aber dann in schwerem
Seelen kämpfe durch zu edler Entsagung und weiht sich „ zurückkehrend zu
den Ihren" durch einen Sturz von einem über das Meer hinausragenden Felsen
den Göttern.
„Das goldene Vließ", in welchem die Charakterschilderung der
Medea großartig gelungen ist, bildet in drei Abteilungen (Trilogie) eine
Art von Gegenstück zur „Sappho".
Erste Abteilung. „Der Gastfreund" in einem Auszug. Phrixus
kommt nach dem Verluste seiner Schwester nach Kolchis und weiht das „goldene
Vließ" dem Gotte des Landes. Von Habsucht getrieben, tötet ihn der König Aietes,
seine Tochter Medea spricht aber den Fluch über den Mord aus.
Zweite Abteilung. „Die Argonauten", Trauerspiel in vier Auf-
zügen. Jason, der nach Kolchis gekommen, um die Ermordung des Phrixus zu
rächen, gewinnt die Liebe der von wilder Leidenschaft entflammten Medea, kommt
durch sie in den Besitz des „goldenen Vließes" und entflieht mit ihr, verfolgt von
dem Fluche des Vaters.