1908 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Führer, Anton, Hense, Joseph
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Inhalt: Zeit: Neuzeit
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Neunte Periode.
Neunte Periode.
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Das junge Deutschland.
Als im Jahre 1830 die französische Juli-Revolution die Herrschaft
der Bourbonen und damit die Reaktion in Frankreich gestürzt hatte, zeigte
sich auch im deutschen Volke unter Hebung des Nationalbewußtseins eine
mehr und mehr sich steigernde Gärung. Die Bewegung richtete sich zunächst
gegen das Metternichsche System, gegen die Zensur, die Unterdrückung der
öffentlichen Meinung und gegen die politische Zerrissenheit des Vaterlandes.
Begabte junge, aber politisch noch nicht reife Männer, das sog. junge
Deutschland, griffen in ihrem Sturmesdrange nicht allein den Klassizismus
und die Romantik, sondern bald auch die Religion, Zucht und Sitte und
die bürgerliche Ordnung an. Pessimistisch angelegt und absoluter Freiheit
huldigend, entlehnten sie ihre Stoffe mit Vorliebe der Gegenwart und dem
Volksleben.
Führer der Bewegung wurden zwei zum Christentum übergetretene Juden,
Ludwig Börne (Löb Baruch, 1786—1837) aus Frankfurt a. M., der
von Paris aus gegen die Bedrückung des deutschen Volkes durch Zensur
und Tyrannei der Fürsten auftrat, und
Heinrich Keine (1799—1856).
Heinrich Heine, von jüdischen Eltern am 13. Dezember 1799 zu
Düsseldorf geboren, widmete sich der Rechtswissenschaft und trat zum Christen-
tum über, ohne christliche Gesinnung und Gesittung anzunehmen. Voll
Bewunderung des französischen und voll Verachtung des deutschen Wesens
ging er 1831 nach Paris, wo er vorwiegend der Prosa und den Tages-
fragen sich zuwandte und nach einer langjährigen, schmerzvollen Krankheit
am 17. Februar 1856 starb. Von einer geradezu dämonischen Zer-
setzungslust getrieben, liebte er gemeine Frivolität und übergoß oft das
Heiligste mit Spott und Hohn („Vergiftet sind meine Lieder, wie könnt'
es anders sein?"), so daß er selbst das Vaterland und das Christentum
zur Zielscheibe bitterer Satire und frechen Witzes und Haffes machte. Zu-
gleich wurde er der Dichter des sog. Weltschmerzes, einer krankhaften,
unzufriedenen Stimmung über die Verhältnisse des Lebens, die bei vielen
Dichtern eifrige Nachahmung fand. Im übrigen ist er jedoch einer unserer
bedeutendsten Lyriker, ausgezeichnet gleich Goethe, Eichendorff und
Uhland durch Wärme der Empfindung, Objektivität, sachliche
Volkstümlichkeit und glatte Form, Eigenschaften, welche einen Silcher,