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1. Dichtung der Neuzeit - S. 411

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 53. Annette von Droste-Hülshoff. 411 „Und wenn er kühn, so war sie schön, Die heilige Frau im Ordenskleide! Ihr möcht' der Weihei süßer stehn. Als andern Güldenstück und Seide. Kaum war sie holder an dem Tag, Da ihr jungfräulich Haar man füllte. Als ich ans Kirchensenster schnellte Und schier Tobias' Hündlein brach. „Da stand die alte Grästn, stand Der alte Graf, geduldig harrend; Er aufs Barettlein in der Hand, Sie fest aufs Paternoster starrend; Ehrbar, wie bronzen sein Gesicht — Und aus der Mutter Wimpern glitten Zwei Tränen auf der Schaube Mitten, Doch ihre Lippe zuckte nicht. „Und sie in ihrem Sammetkleid, Von Perlen und Juwel' umfunkelt, Bleich war sie, aber nicht von Leid, Ihr Blick doch nicht von Gram umdunkelt. So mild hat sie das Haupt gebeugt, Als woll' auf den Altar sie legen Des Haares königlichen Segen, Vom Antlitz ging ein süß Geleucht. „Doch als nun, wie am Blutgerüst, Ein Mann die Seidenstränge packte, Da faßte mich ein wild Gelüst, Ich schlug die Scheiben, daß es knackte, Und flattert' fort, als ob der Stahl Nach meinem Nacken wolle zücken. Ja wahrlich, über Kopf und Rücken Fühlt' ich den ganzen Tag mich kahl! „Und später sah ich manche Stund' Sie betend durch den Kreuzgang schreiten, Ihr süßes Auge über Grund Entlang die Totenlager gleiten; Ins Quadrum flog ich dann hinab. Spazierte auf dem Leichensteine, Sang oder suchte auch zum Scheine Nach einem Regenwurm am Grab. „Wie sie gestorben, weiß ich nicht; Die Fenster hatte man verhangen. Ich sah am Vorhang nur das Licht Und hörte, wie die Schwestern sangen! Auch hat man keinen Stein geschafft Ins Quadrum, doch ich hörte sagen. Daß manchem Kranken Heil getragen Der sel'gen Frauen Wunderkraft. „Ein Loch gibt es am Kirchenend', Da kann man ins Gewölbe schauen, Wo matt die ew'ge Lampe brennt, Steinsärge ragen, fein gehauen! Da streck' ich oft im Dämmergrau Den Kopf durchs Gitter, klage, klage Die Schlafende im Sarkophage, So hold, wie keine Krähenfrau!" Er schließt die Augen, stößt ein lang „Krahah!" Gestreckt die Zunge und den Schnabel offen; Matt, flügelhängend, ein zertrümmert Hoffen; Ein Bild gebrochnen Herzens, sitzt er da. — Da schnarrt es über ihm: „Ihr Narren all!" Und nieder von der Fichte plumpt der Rabe: „Ist einer hier, der hörte von Walhall, Von Teut und Thor und von dem Hünengrabe? Saht ihr den Opferstein?" — da mit Gekrächz' Hebt sich die Schar und klatscht entlang den Hügel. Der Rabe blinzt, er stößt ein kurz Geächz', Die Federn sträubend wie ein zorn'ger Igel; Dann duckt er nieder, kraut das kahle Ohr, Noch immer schnarrend fort von Teut und Thor.
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