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1. Dichtung der Neuzeit - S. 423

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 54. Die moderne Literatur. Emanuel Geibel. 423 Und wie er so in läuterndem Gedichte Die Sehnsucht ausgoß seiner ganzen Zeit, Ward ein lebendig Buch ihm die Geschichte, Und Zukunft lehrt' ihn die Vergangenheit; Er sah des Gottes wandelnde Gerichte Im Kampf der Völker, in der Geister Streit, Und, aus der Leidenschaften Schuld und Sühne Das Schicksal deutend, meistert' er die Bühne. Hier war sein Reich. Genährt vom Wein der Alten, Wie strebt' er kühn mit Adlersflug hinaus! Doch g'nügt' ihm nicht der strenge Wurf der Falten, Die scharf umrissne Form des Gliederbaus; Selbst ewig lodernd, füllt er die Gestalten Mit seiner Brust erhabnem Pulsschlag aus; Des eignen Denkens Tiefsinn lieh er ihnen. Daß sie uns nah und doch wie hoch erschienen! Und weil des deutschen Lebens tiefster Bronnen Geheimnisreich ihm in der Seele stoß, Und weil in jedes Werk, das er begonnen, Er diese Seele voll und flutend goß: So war ihm bald des Volkes Herz gewonnen, Das stolz in ihm sein bestes Selbst genoß Und, ob es andre fromm bewundern mochte, Für keinen wie für ihn in Liebe pochte. Er aber schritt, den Blick gewandt nach oben, Den Pfad des Ruhms mit nur beschwingterm Gang; In Bildern, reich und reicher stets verwoben, Enthüllt' er uns der Weltgeschicke Drang, Und wie von Schwanenstttichen gehoben Zur Leier schwebte rauschend sein Gesang! Rastlos geschürt, ach nur zu rastlos! glühte Ihm der Begeistrung Feuer im Gemüte. Ach, wie der Baum, den Blüten stets umkleiden. Am eignen Reichtum hinstirbt vor der Zeit: Zu früh erlag er dem verborgnen Leiden, Ein Opfer, das sich achtlos selbst geweiht; Doch sein erlöschend Auge sah im Scheiden Den Sonnenaufgang der Unsterblichkeit: Er ging nur hin, um aus des Todes Wehen In Millionen Herzen zu erstehen.
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