1908 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Führer, Anton, Hense, Joseph
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Inhalt: Zeit: Neuzeit
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Neunte Periode.
„Tränen trocknen;
Glücklich, wer gesät im Harme,
Denn in Freuden wird er ernten:
Elmar, komm in meine Arme!
„Dir und euch, ihr frommen Brüder,
Hab' ich, wie mir aufgetragen.
Dieses Toten letzte Wünsche
Mit dem letzten Gmß zu sagen. . . .
„Eins nur macht' ihm hart das Scheiden,
Der Gedanke, schwer zu fassen,
Dies sein Kind, sein teures Kleinod,
Auf der Welt allein zu lassen.
„Nicht allein! Sein teures Kleinod
Bat er mich mit seinem Segen,
Elmar, so dein Herz ihm offen.
An dein treues Herz zu legen/' —
Und der Falk, die Arme breitend:
„Dn mein Bangen und Verlangen,
Hilda, kommst du?" — Der Erlöste
Hielt die Weinende umfangen. —
Sprach der Bischof: „Amen, Amen!'
Auf die Kniee sanken alle;
Friedensgeister, Gottes Engel,
Schwebten durch die stille Halle.
Der Name „Dreizehnlinden" macht auf geschichtliche Unterlage keinen
Anspruch; jedoch darf man sich die altehrwürdige Benediktinerabtei Korbey
bei Höxter darunter vorstellen. Der Schauplatz der Dichtung ist der
Nethegau, das Flußgebiet der Nethe, der nördliche Teil des Kreises Mar-
burg und ein Teil des Kreises Höxter. Wir schauen in dem Werke ein
farbenreiches, klares Bild der germanischenvorzeit, eine S u m m e
eigenartig gestalteter, scharf und kraftvoll gezeichneter Charaktere, unter
denen Elmar, Hildegunde und Swanahild besonders hervorragen; wir sehen
vor uns die Verherrlichung des Christentums in seinem Siege
über das germanische Heidentum, des Christentums, welches allein
dem Menschen Ruhe und inneren Frieden zu geben vermag; wir erblicken
als ethischen Kern des Ganzen den Kampf des Idealen mit
dem modern-liberalen Heidentum. Mag auch das didaktische
Element, der Uhu als Personifikation des modernen Materialismus und
des Priors Lehrsprüche, etwas stark vertreten sein: der Gesamteindruck
der Dichtung wird dadurch nicht beeinträchtigt, welche die herrlichsten
Blüten der Lyrik neben kraftvoller epischer Darstellung enthält.
Auch die Form macht die Dichtung zu einem Meisterwerk: die
Sprache ist kräftig, voll poetischen Zaubers und in oft neuen Wendungen
reich entwickelt, der Versbau (vierfüßige Trochäen mit weiblichem Schluß, je
vier zu einer Strophe vereinigt, in welcher der zweite und vierte Vers reimen)
kraftvoll und ungemein wohllautend, wenn auch einzelne Reime unrein sind.
Die Gedichte Webers, enthaltend Lieder, Romanzen, Balladen und
Sinngedichte, von denen einzelne den Xenien Goethes und Schillers zu
vergleichen sind, zeigen wie „Dreizehnlinden" die Originalität seiner
Gedanken, seinen kräftigen, männlichen Geist, seine charaktervolle,
glaubensstarke Haltung, durch die er vor den meisten Dichtern
glänzend hervorragt.