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1. Handbuch für den deutschen Unterricht in den oberen Klassen der Gymnasien - S. 159

1872 - Köln : DuMont-Schauberg
Leibnitz. (1646—1716.) 159 brauchen und nit allzeit durch die Finger schauen; sie sollen doch mit der Justiz nicht umgehen als mit einem Spinnengeweb, allwo die großen Vögel durchbrechen, die kleine Mucken hangen bleiben; sie sollen doch nicht seyn wie die Distillirkolben, welche aus den Blumen den letzten Tropfen heraussaugen: Wann er anfangt die Wahrheit zu predigen denen fjofjen Ministris und Räthen, sie sollen lernen 3 zählen, sie sollen jene Lection recht lernen, welche Christus seinen Geheimisten gegeben: Vi8ionem, huam viclistis, nemini dixeritis: Wann er anfangt den Edelleuten die Wahrheit zu predigen, daß sie denen Barbierern in ihr Profession ein- greifen, und ihr mehrestes Einkommen nicht in Wein und Traid, sondern in Zwiebeln stehe, weilen sie die Bauern gar zu stark zwiebeln: Wann er die Wahrheit sagt denen Geist- lichen, daß sie gar oft seynd wie die Glock m, welche andern in die Kirche läuten und sie selber bleiben daraus; daß sie gar oft seynd wie die Zimmerleut des Noe, welche andern die Archen gebauet, daß sie sich salvieret, und sie selbsten seynd zu Grund gangen: Wann er die Wahrheit sagt denen Soldaten, daß sie halsstarriger Meinung seynd, als seie ihr Ge- wissen auch privilegirt, aber da heißt es privilegia Brieflügcn: Die Wahrheit dem Magi- strat und den Obrigkeiten, daß sie gar oft seynd wie ein Spitalsuppen, worauf wenig Augen: Die Wahrheit denen Mauthnern und Beambten, daß sie gar zu barmherzig seynd, nicht zwar in Beherbergung der Fremdling, wohl aber des fremden Guts: Die Wahrheit denen Zimmerleuten, daß man bei ihnen allzeit frische Spän, aber zugleich faule Gespan finde: Die Wahrheit denen Bäckern, daß sie gar oft solche Leut seynd, welche Mehl genug, aber zu wenig Teig zum Semlen nehmen: Die Wahrheit denen Gärtnern, daß sie gar oft den Garten säubern, aber das Gewissen lassen verwachsen und nichts mehrers pflanzen als das Weinkräutel: Die Wahrheit denen Wirthen, daß sie gar oft Kein Wein für Rheinwein, Lugenberger für Luetenberger ausgeben und öfters auch den Tuchscherern in die Arbeit greifen: Die Wahrheit denen Bauern, daß sie sich zwar einfältig stellen, aber so einfältig wie die Schweizerhosen, so hundert Falten haben: Die Wahrheit denen Kindern, daß sie denen Passauer Klingen nicht nacharten, dero beste Prob ist, wann sie sich biegen lassen rc. rc. Wann dergestalten der Prediger den Scharfhobel brauchen wird, wann er auf solche Weis wird die Wahrheit reden, so bringt ihm solches Reden Rödern, so bringen ihm solche Wörter Schwerter, so bringt ihm solches Sagen Klagen: inimiens iaetus sum dicens, er verfeindt sich allenthalben. Gottfried Wilhelm v. Leibnitz. Geb. am 3. Juli 1646 zu Leipzig, studirte die Rechte, inachte Reisen, wurde Bibliothekar in Hannover, 1711 Reichsfreiherr, stiftete die Berliner Akademie der Wissenschaften und starb 1716 zu Hannover. Ein hervorragender, umfassender, unermüdlicher Geist mit tiefgreifenden Leistungen ini Juristischen, Geschichtlichen, Mathematischen, Philosophischen und Theologischen. Er ist der Begründer der neueren Philosophie. Seine Hauptwerke schrieb er in Lateinisch und Französisch. Seine deutschen Schriften herausgegeben von Guhrauec und jüngst von O. Klopp. lieber Hrrbesserung der Leutscheu Sprache. Ich finde, daß die Teutschen ihre Sprache bereits hoch gebracht in allem dem, so mit den fünf Sinnen zu begreifen und auch dem gemeinen Manne vorkommt; absonderlich in leiblichen Dingen, auch Kunst- und Handwerkssachen, weil nämlich die Gelehrten fast allein mit dem Latein beschäftigt gewesen und die Muttersprache dem gemeinen Laufe überlassen, welche nichts desto weniger auch von den so genannten Ungelehrten nach Lehre der Natur gar wohl getrieben worden. Und ich halte dafür, daß keine Sprache in der Welt sei, die lzum Exempel) von Erz und Bergwerken reicher und nachdrücklicher rede, als die Teutsche. Dergleichen kann man von allen anderen gemeinen Lebensarten und Professionen sagen, als von Jagd- und Waidwerk, von der Schifffahrt und dergleichen. Wie dann alle die Europäer, so aus dem großen Weltmeer fahren, die Namen der Winde und viele andere Seeworte von den Teutschen, nämlich von den Sachsen, Normannen, Osterlingen und Niederländern entlehnet. Es ereignet sich aber einiger Abgang bei unserer Sprach in denen Dingen, so man weder sehen noch fühlen, sondern allein durch Betrachtung erreichen kann: als die Aus- drückung der Gemüths-Bewegungen, auch der Tugenden und Laster und vieler Beschaffen- heiten, so zur Sittenlehre und Regierungskunst gehören; dann ferner bei denen noch mehr abgezogenen und abgefeimten Erkenntnissen, so die Liebhaber der Weisheit in ihrer Denkkunst und in der allgemeinen Lehre von den Dingen unter dem Namen der Logik und Metaphysik auf die Bahne bringen; welches alles dem gemeinen Teutschen Manne etwas entlegen und nicht so üblich, da hingegen der Gelehrte und Hosmann sich des Lateins oder anderer frem- den Sprachen in dergleichen fast allein und, in so weit, zu viel beflissen: also daß es denen
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