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1. Handbuch für den deutschen Unterricht in den oberen Klassen der Gymnasien - S. 592

1872 - Köln : DuMont-Schauberg
592 Lustgang durch die Reiche alter Poesie. Gewässern, an deren Ufern die geheiligte Blume des Lotos wächst. Aber an Blütensträu- chern hangen in Traubengestalt die summenden Bienenschwärme. Die Phantasie bevölkert diese Urwälder mit wunderbaren Ungeheuern, Schlangen, Riesen, Menschenaffen, Vogel- menschen und verständigen, in religiösen Uebungen begriffenen Elephanten. Aber auf dem Gipfel des Himalaya-Gebirges stürzt aus dem Himmel auf die Erde der sündenabwaschende Gangesstrom, welcher jedes Wesen heiligt, das sich in seine Wellen taucht. Mit China zeigt sich im geraden Contrast Aegypten, welches zwar in der Poesie so gut wie pausirt, aber in seinen sonstigen Kunstdarstellungen sich höchst bedeutend zeigt. Es trägt überall das schwarze, nächtliche Colorit an sich. Es ist die Idee des Todes und der Unsterblichkeit, welche es nie müde ward auszusprechen, in unersättlicher, aber imposanter Monotonie. Dieser melancholische Einklang in Gefühlen und Ideen findet sein natürliches Gegenbild in den pflanzenarmen, hügeligen und heißen, dazu regenarmen Landstrecken voll Melancholie und heißbrütender Schwüle. In Persien sehen wir von alten Zeiten her dengährungskessel tobender Völkermassen, welche zu keinem ruhigen, gesetzten und geordneten Zustande kommen können. Die herr- schende poetische Idee ihres alten Heldenthums ist der Kampf des Lichtes gegen die Finster- niß, Kampf der selbstbewußten Vernunft gegen Obscuranz und Mysticismus, wie er in den Religionen von Indien, Syrien, Chaldäa und Phönicien das Land umgab. Daher wurde besonders die Reinheit und Klarheit der durchsichtigen Elemente verehrt, die Klarheit des reinen Wassers, der frischen Luft, der stoffverzehrenden Flamme, des ätherischen Lichts. Wir treten dann aus dem alten, mehr oder minder phantastischen Orient über nach Griechenland, in ein ganz anderes Element. Der wunderbar wohlthätige und gegen den Orient abstechende Eindruck, den wir hier empfangen, ist der einer frischen und angenehmen Kühle. Die Bilder des Meeres spielen beim ältesten Griechischen Dichter Homer eine Haupt- rolle, die Poesie umspielt uns wie ein erquickender Seewind. Hier ist zuerst Poesie des maß- vollen, selbstbewußten, sich seinen Gegenstand in objectiver Ferne haltenden Gedankens. Hier herrscht hervorragender Sinn für plastische Schönheit, geweckt durch gymnastische Spiele und ein großes heroisches Leben. Hier ist die Schönheit ein Aether, welcher nicht entflammt, sondern wilde Gluten abkühlt, und keine Gestalt duldet, welche nicht im Quell dieser Er- frischung gebadet ist, gleich ihren von nassen Gewändern umflossenen Statuen. Lieblings- themata dieser Poesie sind die historischen, das Walten des Fatums und der Nemesis in der Geschichte, das Heldenthum der Freundschaft und Treue, die Charaktergröße und Selbst- beherrschung, welche das Unvermeidliche groß und edel trägt. Auch hier gab das Land, als ein Tempel der Grazie, und das Leben, als eine stets eröffnete Rennbahn harmonischer Schön- heit, die Bilder her, welche solchem hohen Ideal als Organe dienen konnten. Rings um- flossen von der ätherischen Meerflut, welche in vielen Buchten und Busen sich schmeichlerisch in das Land stiehlt, bietet es auch im Innern angenehme Thäler, durchschlängelt von küh- lenden Gewässern. Darin ragen heitere Bergkuppen empor, die Gipfel des Olymps und Parnaß schimmern im steten Lichtglanz. Es ist das roßprangende Land, geschmückt mit der Eiche des Zeus und deni Oelbaume der Athene, geschmückt mit schwelgenden, unbetretenen Götterhainen voll Lorbern, Epheu, Safran und Narcissen. Wir treten von Griechenland über in das Hebräische Element, welches dem ganzen Heidenthum des Orients und Occidents feindlich und gewaltsam entgegentritt. Hier umwölkt sich der Himmel, und ein nie ermüdendes Gewitter entlädt sich mit furcht- baren Schlägen. Die affectvolle Poesie wühlt in unaushaltbaren Schmerzen, strömt die ganze Seele aus wie Blut. Schwarze und finstere Bilder ziehen auf; Jehovah hat gesprochen, er wolle in der Nacht wohnen, sprach Salomo, als er seinen Tempel weihete. Dunkle Gewitter ziehen über das Meer hin; Jehovah donnert in der Wüste, wo
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