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1. Handbuch für den deutschen Unterricht in den oberen Klassen der Gymnasien - S. 597

1872 - Köln : DuMont-Schauberg
Die heiligen Schriften des alten Testaments. 597 gange, oftmals Vorbild und Quelle der Propheten, und es bilden also auch diese drei Glieder mit jenen vier Hauptmassen ein vielfach verknüpftes Ganzes, indem sie den wesent- lichen Stamm der Stiftung, der Geschichte und der Weissagung des auserwählten Volkes mit lener dreifachen Kraft des göttlichen Geistes lebendig umranken. Die christliche Vollkommen- heit und Seligkeit ist in diesen drei heiligen Büchern noch auf erhabene Weise wie in einer Wolke verhüllt; Hiob zeigt uns den Glauben in der heroischen Geduld des Leidens, Salomo verkündigt die Liebe im sinnbildlichen Geheimniß, verhüllt in „das mannigfach geschmückte Gewand", und die Psalmen athmen und schildern die Hoffnung im Kampfe der irdischen Sehnsucht. In diesen letzteren spricht sich Christus, das ewige Wort des Lebens und der Versöhnung, ganz besonders überall auf das deutlichste aus, und darum sind die Psalmen auch von jeher, noch jetzt, und für immer, in der Christenheit als der Grund-Choral aller kirchlichen Gesänge gebraucht und betrachtet worden; und selbst ein göttliches Gebetbuch, bilden sie den Grundton und die reiche Quelle aller christlichen Gebete. Es ist das Wieder- finden des Sohnes und des Vaters, die sehnsüchtige Begierde des vom Vater getrennten und Gott im irdischen Kampfe suchenden Sohnes, und das barmherzige Herabneigen des ewigen Vaters, wie sie sich beide in den Fluten der Schöpfung einander suchen und im Mittel- punkte ihrer Liebe zusammentreffen. Hier ist der Punkt, von welchem aus die eigentliche Idee der göttlichen Eingebung überhaupt ein besonderes Licht erhalten kann: das innere Wesen der Inspiration nämlich, während der geschlossene Cyklus der heiligen Schriften, oder der Canon, der alles umfassen soll, was für die kirchliche Lehre und Verfassung nothwendig und wesentlich ist, nach dieser Regel, durch beglaubigte Ueberlieferung und rechtmäßige Autorität positiv bestimmt und dog- matisch festgestellt wird. Wenn nun der Geist Gottes ein solcher ist, der zugleich vom Vater und vom Sohne ausgeht, so waltet er vor allem da, wo beide, das verborgene Herz des Vaters in seiner schöpferischen Sehnsucht und allmächtigen Liebestiefe, und das geheimnißvolle Wort des ewigen Sohnes, lebendig zusammentreffen und zu einer Flamme der Erleuchtung in einander schlagen. Diese vereinte und volle Kraft des göttlichen Lebens und Wirkens ist das Gepräge, welches die heiligen Schriften in ihrem ganzen Geiste und Gebilde sichtbar und unverkennbar an sich tragen, wenngleich in einigen Theilen das allmächtige Herz des Vaters überwiegend vorwaltet, in anderen das Licht des Sohnes am deutlichsten hervorbricht» Und wenn wir uns nun fragen, was der Bibel auch selbst in ihren dichterischen Theilen die mehr als Pindarische Begeisterung, die mehr als Platonische Erhabenheit in der reinen Anschauung des Göttlichen verleiht: so ist es eben dieses, es ist jener Geist, der vom Vater und vom Sohne ausgeht. Wollten wir aber den Charakter und Geist des alten Testaments nach jenen vier heiligen Thiersymbolen näher bestimmen, welche die vier Seiten oder ver- schiedenen Sphären in aller Offenbarung des göttlichen Daseins bezeichnen und bedeuten, so läßt sich wohl sagen, daß die Bücher des alten Bundes am meisten in der Signatur des Löwen stehen, als dem Elemente der im göttlichen Feuer glühenden Willenskraft und des muthigen Kampfes. So wie aber dieser gute und fromme Löwenmuth nur nach außen gerichtet ist, im innersten Herzen aber den sanften, stillen Liebes- und Lammessinn bergen soll, und beide Sinnbilder von Alters her in solcher Weise verbunden und zu Einem ge- knüpft werden: so steigt auch in dem innersten verborgenen Kern und Herzen des heiligen Buches aus der Hülle dieser Löwenkraft schon die christliche Gestalt des Lammes empor, als Sinnbild und Evangelium des ewigen Opfers und der göttlichen Liebe. Friedr. v. Schlegel.
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