Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Handbuch für den deutschen Unterricht in den oberen Klassen der Gymnasien - S. 757

1872 - Köln : DuMont-Schauberg
Abriß der Pvctik. 757 Ode eben so schnell fertig sein, als der Dichter schreiben könnte; sondern darin zeigt sich der wahre Dichter, daß er seine Empfindungen und den Gang derselben, ohne sie zu heinmen, in sich festhalten kann, bis der sprachliche Ausdruck ganz vollgültig und dem Inneren entsprechend geworden. 2. Das Gefühl ist mit dem Dichter im Gleichgewicht; sie tragen und halten sich ge- genseitig, und eines spinnt sich im andern ein und genießt sich und wohnt mit einander, und am Ende des Gedichtes kehrt man gleich- sam in den Anfang wieder zurück, und fängt das Lied von vorne an. Das ist die Em- pfindungsstufe des Liedes. Während die Ode gleichsam ein hervorbrechender Strom ist und am Ende zu einer Art Katastrophe führt, d. h. zu einem höchsten Höhepunkte gelangt, oder sich zur Ruhe herabsenkt, ist das Lied nur ein Tropfen aus dem Quell, ein Spie- gelbild der momentanen oder auch bleibenden Stimmung des Dichters. 3. Das Gefühl ist schwächer, als die Per- sönlichkeit des Dichters; er steht über ihm und kann es beherrschen: aber er gibt sich ihm hin, und läßt sich von ihm führen (nicht: tragen) und sich in seinem Lichte die Gegenstände zeigen, und in seiner Weise die Gedanken erwecken. Das ist der Zustand der Reslexionsfähigkeit; es ist die Empsin- dungsstufe der Elegie. Man tritt z. B. einen Spaziergang an, empfindet eine eigen- thümlich erhöhte Stimmung int Innern, gibt ihr nach und betrachtet in ihrer Färbung die Dinge und wird so von Gedanken zu Ge- danken, von Beziehung zu Beziehung geleitet; das ist elegisch; es ist der Uebergangspunkt aus dem Lyrischen zum Epischen. Die ge- ringere Stufe der lyrischen Erregtheit wird ersetzt durch epische Anschaulichkeit und Be- deutsamkeit der Ideen, daher die Elegie sich zu Beschreibung und Didaktischem neigt. Ode, Lied und Elegie sind also die drei Grundformen der Lyrik, hergeleitet aus dem Wesen der lyrischen Empfindung. Bei allen dreien gibt es natürlich verschiedene Grade, so sehr, daß selbst die Ode stellenweise elegisch werden kann, z. B. die Stelle vom Früh- lingswürmchen in Klopstock's Frühlingsseier (S. 240), und xben so die Elegie sich oden- artig erheben, oder auch bis zur didaktischen und erzählend-beschreibenden Darstellung her- abstimmen kann. Ii. In Bezug auf den Stoff, dem natür- lich auch Gehalt und Form angemessen sein muß, theilt man die Lyrik gewöhnlich in geistliche oder religiöse und in weltliche (vgl. §. 2, S. 735). Eine besondere Art der geistlichen Lyrik ist die kirchliche, die nicht so sehr ein subsectives Gefühl des Einzelnen ausspricht, als die religiöse Erhebung in dem allgemeinen positiven Glauben, wie er alle Gläubigen beseelen soll. Außerdem gibt es so viele Einzelnamen von lyrischen Gedichten, als es Arten von Stoffen und Motiven geben mag: Frühlingslieder, Kriegslieder, Trinklieder, Jägerlieder, Kindcrlieder, Vater- landslieder, Wanderlieder, gesellige, politische u. s. w. Iii. In Bezug auf die beso ndere Form hat jede Zeit und jedes Volk auch eigenthüm liche lyrische Dichtarten. Bei den Minne- sängern unterschied nian namentlich Lied, Leich und Spruch (vgl. S. 83). Eine Reihe be- sonderer Gedichtsformen ist oben 8-15 auf- gezählt: Sonett, Canzone, Sestine, Madrigal, Triolett, Rondeau u. s. w. 8- 23. Die einzelnen lyrischen Dichtarten. In dem einen oder anderen der genannten drei Eintheilungsgründe beruht die Charak- teristik der verschiedenen Gedichtarten, die man in der Lyrik aufzuzählen pflegt. Die. bekann- testen davon sind: 1. Die Ode, als Ausdruck der höchsten Empfindung, wie sie oben näher erklärt worden. Die vorzüglichsten in der neueren Deutschen Literatur sind die von Klopstock, dessen ganze Poesie nach der Sphäre der Ode hinstrebt. Zu höchster Empfindung gebührt sich auch höchster Gehalt und Stoff. 2. Die Hymne, nach der neueren Auf- fassung so viel als religiöse, heilige Ode, aus Gott und göttliche Dinge, jedoch auch wohl ausgedehnt auf Preisgesänge einzelner hoher Personen, die gleichsam wie die Heroen das Göttliche an sich offenbaren. Die sogenannten Homerischen Hymnen waren epischen Charak- ters. Pindar erhob sie zur hohen Lyrik. Im kirchlich-religiösen Gesänge unterscheidet man: a. Psalmen; dahin zunächst die bekannten Davidischen, die höchsten Spitzen und reinsten Musterbilder aller Lyrik; k>. Cantica; die übrigen Gesänge der heiligen Schrift, z. B. das Lied Moses; das hohe Lied heißt canticum canticorum; e. Hymnen (hier der Hymnus, nicht die Hymne); die älteren christlichen Gesänge, besonders die von der Kirche in den Ritus aufgenommenen: d. Lieder (cantiones): zunächst die fürs Volk bestimmten, im Mittelalter Leisen (Kyrie eleison) genannt. Außerdem noch im Ritus die Sequenzen, Responsorien, Antiphonen. 3. Dielyrische Rhapsodie, eine Unterart der Ode; sie hat etwas Abgerissenes an sich, gleichsam wie ein affecsvoller Monolog; da- her meist ein freies, ungleiches Versmaß.
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer