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1. Handbuch für den deutschen Unterricht in den oberen Klassen der Gymnasien - S. 768

1872 - Köln : DuMont-Schauberg
768 Abriß der Literaturgeschichte. I Chroniken Platz machen, oder sich in prosaische Volksbücher auflösen lassen. Gegen Ende des Mittelalters scheint die Erinnerung an die alten Heldengedichte noch einmal frisch er- wacht zu sein; man suchte sie umzuarbeiten und namentlich in singbare Strophen zu setzen; so Kaspar von der Rön. Im Uebri- gen ging der epische Geist in Satire und Allegorie über; so das Narrenschiff von Brnnt, der Theuerdank von Kaiser Max, Reineke Fuchs. Der Meistergesang hielt sich ursprüng- lich ans Lyrische und Didaktische. Das 16 Jahrhundert bewegt sich hauptsäch- lich in Fabeln und Schwänken mit weitge- spreizter Form; von eigentlicher Würde der Kunst empfängt man keine Ahnung. Die hervorragenden Führer des Jahrhunderts sind Hans Sachs und Fischart. Die Gelehrten- poesie des 17. Jahrhunderts reichte für epi- sche Auffassung und Entfaltung nicht aus; sie haftete am Didaktischen und Gezierten. Und so trat denn Klopstock's Messias in jeder Hinsicht wie ein Heros hervor. Im Uebrigen hat die neue Zeit alle möglichen epischen Formen, gleichsam mit literarischer Pslichtmäßigkeit, angebaut; Fabel und Parabel, Allegorie und Satire, Beschreibung und Be- lehrrmg, Erzählung und Ballade, Legende und Idylle, kölnisches, idyllisches, romanti- sches und heroisches Epos. Der kleineren epischen Gedichte gibt es die Unzahl, beson- ders der schlechten prätentiösen Balladen, in denen sich der Mangel an Poesie hinter ge- reimter Rhetorik versteckt. Von größeren epi- schen Werken sind am bekanntesten: Klop- stock's Messias, Herder's Cid, Wieland's Oberon, Voß'ens Louise, Goethe's Hermann und Dorothea, Schulze's Cäcilia, Sonnen berg's Donatoa, Pyrker's Tunisias und als komisches Epos die Jobsiade. Klopstock aber ragt wie eilte Alpenhöhe hervor, und Lebens- quellen des Epos wie im Mittelalter sind noch nicht wieder geöffnet worden. §. 6. .Verlauf der lyrischen Poesie. Die lyrische Poesie in Verbindung mit epischen Stoffen, als Gesang auf Personen und Begebenheiten, war in Deutschland schon zur Römerzeit einheimisch. Aber auch das Ludwigslied aus dem 9. Jahrhundert trägt noch einensolchen Charakter. Einzig in seiner Art erscheint aus damaliger Zeit das Lied auf den heiligen Petrus (S. 13). Die eigent- liche Lyrik zeigt sich erst im 12. Jahrhundert, aber auch gleich mit einer Innigkeit und Wahrheit, einer Leichtigkeit und Anmuth, wie sie selten gefunden wird. Im Religiösen verbindet sich damit Schwung und Tiefe; im Uebrigen ist der Kreis, worin sie sich bewegt, ein enger; es ist hauptsächlich die Minne, d. h. die volle hingebende Liebe (davon der Nameminnesängersund die Natur. Diehaupt- formen sind Lied, Leich und Spruch (S. 88). Die Kirchenlieder heißen Leisen, Kyrleisen (von Kyrie eleison). An der Spitze der Lyrik steht Walther von der Vogelweide; es war aber Deutschland recht wie ein gesangreicher Dichterwald. Eine Auswahl von Minnelie- dern bietet die Manesse'sche Sammlung aus denr Anfange des 14. Jahrhunderts. Nach der Blütezeit des 13. Jahrhunderts erscheint die Lyrik: 1) in den Händen von gewerblichen Dichtern, die sich ein Geschäft aus der Dichtkunst machten und allmählich zu Pritschmeistern und Spruchsprechern herab- sanken; 2) als Eigenthum einer Zunft, der Meistersänger, die sie in ehrsamer Weise unter Meisterregeln brachten; 3) endlich als frisch sprudelnder Quell im Volke, woraus die so genannten altdeutschen Volkslieder hervorge- gangen. Mit dem Volksliede verwandt sind die volksthümlichen Kirchenlieder, welche seit dem 14. Jahrhundert sich mehren. Volks- gesang und Kirchenlied setzten sich auch im 16. Jahrhundert noch fort, und letzteres empfing einen neuen Antrieb durch die Reformatoren, welche für den Gottesdienst sich auf Deutschen Gesang angewiesen sahen. Im Uebrigen bietet ' das 16. Jahrhundert bei seinem einerseits satirisch-possenhaften und anderseits zerrissenen, lieblosen Charakter wenig Sinn für offene, freie Lyrik. Eben so wenig konnte das 17 . Jahrhundert mit seiner gelehrten Kunstpoesie die Quellen der reinen Lyrik öffnen. Balde mit seinen darstellungsreichen Lateinischen Oden und Spee mit seiner innigen Wahr- heit ragen über alle hervor. Im Uebrigen erstickten die guten Keime der ersten Schlesi- schen Dichterschule alsbald unter poetischen Aeußerlichkeiten. Auch das 18. Jahrhundert haftete anfangs noch zu sehr an dem poetischen „Machen", dem Gegentheile der wahren Lyrik; so in der moralisch-religiösen Richtung der Gel- lert'schen Schule, und so in den Tändeleien der Anakreontiker neben ihrem Odenschmieden auf Friedrich den Großen. Klopstock sprengte die Verhärtung; bei ihm spricht der Mensch, der ganze Mensch, aus der Fülle und Wahr- heit. In der Folgezeit ist es gerade die Lyrik, welche fast bei allen namhaften Dichtern in der einen oder anderen Weise zum schönsten Ausdruck gekommen, so daß aus der unüber- sehbaren Gesammtheit sich ein höchst gehalt- und formreicher lyrischer Blumengarten zu sammenstellen läßt. Aber eben so wahr ist es, daß sich durch die neuere Deutsche Lyrik zwei Grundfehler hindurchziehen: 1. der Mangel
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