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1. Lehrbuch zur Kenntniß der verschiedenen Gattungen der Poesie und Prosa für das weibliche Geschlecht, besonders für höhere Töchterschulen - S. 178

1877 - Stuttgart : Heitz
178 Monaten so eifrig suchen lassen. Er hat einen Freund des Herzogs heim- tückisch erschlagen, einen Jüngling, der mit dem Liebling des Herzogs, dem reichen hochmüthigen Köstein, nahe verwandt ist. Der Strauß von neulich, hier in der Vorstadt, ist gewiß entstanden, weil ihn die Herzoglichen oder Freunde des Grasen Crohs haben greifen oder aus dem Wege räumen wollen. Frau, Frau, welche Verantwortung zieht Ihr Euch zu, wenn Ihr solchen Sünder bei Euch versteckt haltet!" „Seht Ihr, wie Ihr nun seid," sagte die Alte bittend, „Ihr Leute nämlich, die Ihr noch immer in der Welt leben wollt! Sünder, Mörder, alle die Worte und Schimpfreden fließen Euch so leicht von der Zunge, als wenn sie nichts zu bedeuten hätten. Er hat mir ja vielleicht Alles selbst gebeichtet. Wir sind zumal Alle arme Sünder vor dem Herrn. Er war sterbend, blutend, zerschlagen, und mein Bruder. Was gehen mich Eure Händel und Verschwörungen und Verfolgungen an, wo fast immer einer so frevelhaft verschuldet ist wie der andere? Ihr solltet als ein Geistlicher besser denken. Darum sagt auch kein Wort, weder dem Bischof, noch Diaconus, noch irgend einem Menschen, von meinem lieben Gast. Wollt Ihr mir das versprechen?" Der Küster stand nachdenklich. „Ich kann ihn ja jetzt noch nicht aus dem Hause werfen!" rief die Alte ungeduldig, „er kann ja noch nicht gehen und stehen, er kann sich nicht regen, so schlimm haben sie den Armen zu- gerichtet." „Ich kann es Euch nicht so unbedingt versprechen," antwortete Wun- drich, „denn wenn die Sache entdeckt wird, so würde ich auch meines Schwei- gens halber verantwortlich. Der junge Herr ist gar so argwöhnisch, der alte Herr schwach, die Crohs grausam und leichtsinnig, und der großthuende Köstein ein schadenfroher Narr. So kommt man, mag man fast nur auf ihren Schatten treten, in Verwicklung und Elend, aus dem man sich nicht wieder herausstricken kann." „Küster," rief die Alte beängstigt, „nur acht Tage haltet Euer gewissen- haftes, politisches Maulwerk. Es wird Euch ja kein Mensch darum be- fragen. Was wären denn meine Liebesdienste, wenn sie den Hilflosen mir von meinem armseligen Bette wegrissen, um ihn zu quälen, zu foltern, oder hinzurichten? So hätte ich ihn ja nur eingefangen, um ihn tückisch der Marter zu überliefern. Da müßte ich es ja verwünschen, daß ich Euch nur je gekannt, daß ich nur je die kleinste Gabe von Euch angenommen hätte. Immer, noch immer bin ich mit der Welt zu sehr verwickelt. Im Walde sollte ich leben und auch keinem Geistlichen trauen, und keinen mit Augen sehen, •— und besser noch, sterbend — Laßt mir meinen armen Freund ungestört, den armen Verbluteten. Ihm wäre ja sonst besser gewesen, ich hätte ihn an der kalten Nachtlust liegen und hinfahren lassen. — O du mein Heiland! ich glaubte nun so ruhig sein zu können, so von allem Wirrwarr des verächtlichen Lebens erlöst, und nun muß wieder ein einziger Augenblick, ein dummer Leichtsinn, eine Vergeßlichkeit, daß ich die Thüre nicht zuschließe, die Jämmerlichkeit muß mich wieder allen Sorgen und
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