1877 -
Stuttgart
: Heitz
- Autor: Borberger, Robert, Nösselt, Friedrich
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1832
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Töchterschule
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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Jphigenia auf Tauris
(von Göthe).
(Als der Zug gegen Troja unternommen ward, hatten die Griechen
den Agamemnon zum obersten Heerführer gewählt. Widrige Winde hin-
derten die Ausfahrt der in Aulis versammelten Schiffe, und der Oberpriester
Kalchas erklärte, Diana sei Schuld daran und könne nur dadurch versöhnt
werden, daß ihr Agamemnon seine Tochter Jphigenia zum Opfer bringe.
Agamemnon schickte sich an, das Opfer zu bringen; im entscheidenden Augen-
blicke aber ward Jphigenia von der Göttin in einer Wolke nach Tauris
entrückt. Die Griechen segelten ab; Klytämnestra aber, Agamemnon's Ge-
mahlin, konnte diesem seine Opferbereitwilligkeit nicht vergeben, und aus
Zorn über ihn schenkte sie in seiner Abwesenheit den Werbungen des Aegisth
Gehör, welcher ihn mit Hilfe Klhtämnestra's bei seiner Rückkehr ermordete.
Orestes, der Sohn Agamemnon's, zum Manne herangewachsen, erschlug
die Mutter und ward zur Strafe der Blutthat von Furien verfolgt, so daß
er nirgends Ruhe finden konnte. Auf Befragung des Delphischen Apollo
ward er beschieden, daß er nur dann Ruhe finden könne, wenn er die
Schwester aus dem Taurischen Tempel entführte und nach Griechenland
brächte. Da er nicht wußte, daß seine eigene Schwester dort als Priesterin
der Diana lebte, so konnte er nur denken, daß Apollo damit das berühmte
Götterbild seiner (Apollo's) Schwester Diana meinte.
Er reist mit seinem Freunde Phlades nach Tauris, wo sie, von den
Einwohnern gefangen, der Sitte gemäß geopfert werden sollen. Jphigenia,
die Priesterin, soll das Opfer vollziehen und erkennt den Bruder.)
Dritter Akt. Erster Auftritt.
Jphigenia. Orest.
Jphigenia. Unglücklicher, ich löse deine Bande
Zum Zeichen eines schmerzlichern Geschicks.
Die Freiheit, die das Heiligthum gewährt,
Ist, wie der letzte lichte Lebensblick
Des schwer Erkrankten, Todesbote. Noch
Kann ich es mir und darf es mir nicht sagen,
Daß ihr verloren seid! Wie könnt' ich euch
Mit mörderischer Hand dem Tode weihen?
Und Niemand, wer es sei, darf euer Haupt,
So lang' ich Priesterin Dianens bin,
Berühren. Doch verweigr' ich jene Pflicht,
Wie sie der aufgebrachte König fordert,
So wählt er eine meiner Jungfrau'n mir
Zur Folgerin, und ich vermag alsdann
Mit heißem Wunsch allein euch beizustehn.
O werther Landsmann! Selbst der letzte Knecht,
Der an den Herd der Vatergötter streifte.
Ist uns in fremdem Lande hoch willkommen: