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1. Lehrbuch zur Kenntniß der verschiedenen Gattungen der Poesie und Prosa für das weibliche Geschlecht, besonders für höhere Töchterschulen - S. 291

1877 - Stuttgart : Heitz
291 fand ihn am Grabe der Verklärten, und niemals ohne Zweig oder Blume aus dem eignen Gärtchen." „Von jetzt an wurden die Stellen aus Klopstock's Messias, welche die Verstorbene wenige Wochen zuvor mit ihm gelesen hatte, ihm zur Lieblings- unterhaltung. Sein kräftigster Trost aber waren der Engländerin Elisabeth Rowe Sendschreiben von Verstorbnen an Lebende, weil sie den Glauben in ihm befestigten und stärkten, daß es den Geistern der Abgeschiedenen vergönnt sei, die Pfade der Hinterbliebenen segnend und mitwisfend bis zur Wieder- vereinigung zu umschweben. Die Eltern trauerten in sich gewendet und schweigend. Niemand vermochte dem greisen Vater nach der Trennung vom Liebling seines Herzens noch ein Lächeln abzugewinnen. Er überlebte die einzige Tochter nur wenige Wochen. Sein Hinscheiden erfolgte 1773 mit den fallenden Blättern. Die lauten Klagen der Pfarrkinder, von denen er die meisten getauft, confirmirt und. getraut hatte, waren die schönsten Lob- reden des Unbescholtenen und Gesegneten. Da Friedrich fast jeden Tag da- von Zeuge sein konnte (denn er war oft sein Begleiter zu Hilfsbedürftigen und Kranken), wie der Verewigte gleich einem Schutzgeiste in der Gemeinde waltete, und wie diese dagegen wieder von ihrer Seite mit jedem Tage ein- müthiger darauf bedacht war, durch Erfreulichkeiten niancher Art sich ihm dankbar und liebreich zu erweisen, so bildete sich nach und nach in seinem Gemüthe der fest bestehende Wunsch, daß ihm das Loos eines Dorfpredigers fallen, und er dieses Loos im unbeneideten und geräuschlosen Wirkungskreise des Großvaters würdig erfüllen möge." — Tod des alten Großvaters Eberhard Stilling*). Ein altes Herkommen war, daß Vater Stilling alle Jahre selbst ein Stück seines Hausdaches, das von Stroh war, eigenhändig decken mußte. Das hatte er nun schon acht und vierzig Jahr gethan, und diesen Sommer sollt' es wieder geschehen. Er richtete es so ein, daß er alle Jahre so viel davon neu deckte, soweit das Roggenstroh reichte, das er für dies Jahr ge- zogen hatte. *) Diese einfach schöne Schilderung ist von dem Enkel des alten Eberhard, dem 1817 in Carlsruhe als Geheimen Hofrath gestorbenen Jung-Stilling. Dieser war aus dem Nassauischcn, wo sein Großvater ein Kohlenbrenner und sein Vater ein Schneider und Dorfschulmcister war. Auch er sollte ein Schneider werden; aber seine Lust trieb ihn, ein Schullehrer-Amt anzunehmen. Doch gab er dies wieder auf, weil es ihm noch an Geschick fehlte, und dieser Stand damals in seiner Heimath noch nicht die nöthige Versorgung gewährte, und ergriff das Handwerk auf's Neue. Dabei lernte er so fleißig, daß er Hauslehrer werden konnte. Der Vater seiner Braut lieh ihm das Nöthige, um in Straßburg Medicin zu studircn, wo er mit Göthe Freundschaft schloß. Er wurde nachmals ein berühmter Arzt, besonders Augenarzt, und war zugleich ein ausgezeichnet braver Mensch. Um unbemittelten Augenkranken zu helfen, unternahm er nicht selten unentgeltlich weite Reisen, und beschenkte die Kranken noch dazu. Nur ist zu bedauern, daß 19 *
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