1877 -
Stuttgart
: Heitz
- Autor: Borberger, Robert, Nösselt, Friedrich
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1832
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Töchterschule
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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ihn dann einladet, wenigstens eben so viel wiedergeben muß. Die ganze
Nacht wird getanzt und getrunken. Um Mitternacht beginnt der Kronen-
oder Kranzesraub unter lustigem Streit der verheiratheten Frauen mit den
Mädchen. Am Morgen gehen meistens alle berauscht auseinander; viele
schlafen den Rausch auch im Hochzeithause aus.
Die Kindtaufen, Biedentöp genannt, haben nichts Abweichendes von
den Gebräuchen des übrigen katholischen Westfalens. Den Namen, den die
Kinder in der Taufe bekommen, führen sie auch im bürgerlichen Leben, und
setzen auch wohl des Vaters Tausnamen dazu. Die Familiennamen haften
auf den Häusern; wer kein Haus hat, führt seinen Taufnamen mit dem des
Vaters. Bekommt er ein Haus, so setzt er den Namen des Hauses dazu,
und verändert er das Haus, so verändert er auch den Namen. Diese in
ganz Niederwestfalen gewöhnliche Sitte kommt daher, daß die Häuser unter
einem bestimmten Namen in die Bücher der Edelleute oder Klöster, denen
sie als Eigenbehörige gehören, eingeschrieben sind.
Die Einwohner nähren sich von Ackerbau, Vieh-, Schaf- und Bienen-
zucht, Torsgräberei und Schifffahrt. Die Männer fahren ihre Motte mit
einem gewöhnlich rothen Segel von Utende nach Leer und Emden, wagen
sich damit auch in die Nordsee, bis Holland und England. Die Frauen,
fast alle Sklavinnen ihrer Männer, verrichten alle häuslichen Geschäfte; sie
pflügen, säen, ernten, führen den Haushalt, und sorgen für die Pflege und
Bequemlichkeit der Männer; sie bauen den Flachs und verarbeiten ihn, und
sind mit einem Worte die Quelle der Wohlhabenheit. Arme findet man
nicht; für die wenigen Hilfsbedürftigen sorgen die Gemeinen. —