1882 -
Halle
: Hendel
- Autor: Knauth, Franz
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
28
Alte Zelt.
die sprach: „Des zeiht ihn niemand, ihn schlug Hägens Hand.
Wo er verwundbar wäre macht ich ihm bekannt.
Wie konnt ich mich's versehen, er trüg' ihm solchen Haß!
Sonst hätt ich wohl vermieden," sprach die Königin, „das,
_ „Daß ich verrathen hätte seinen schönen Leib,
So ließ ich nun mein Weinen, ich unselig Weib!
Hold werd ich ihnen nimmer, die das an ihm gethan!"
Zn slehn begann da Geiselher, dieser weidliche Mann.
Sie sprach: „Ich muß ihn grüßen, ihr liegt zu sehr mir an.
Von euch ist's große Sünde: Günther hat mir gethan
So viel Herzeleides ganz ohne meine Schuld;
Mein Mund schenkt ihm Verzeihung, mein Herz ihm nimmer die Huld.
„Ich will den König grüßen." Als er das vernahm,
Mit seinen besten Freunden der König zu ihr kam.
Da getraute Hagen sich nicht, zu ihr zu gehen,
Er kannte seine Schuld wohl: ihr war Leid von ihm geschehen-
Es ward mit so viel Thränen nie eine Sühne mehr
Gistiftet unter Freunden. Sie schmerzt' ihr Schade sehr;
Doch verzieh sie allen, bis aus den einen Mann:
Niemand hätt' ihn erschlagen, hätt' es Hagen nicht gethan.
Nun währt es nicht mehr lange, so stellten sie es an,
Daß die Königstochter den großen Hort gewann
Vom Nibelungenlande und bracht ihn an den Rhein;
Ihre Morgengabe war es und mußt' ihr billig eigen sein.
Nach diesem fuhr da Geiselher und auch Gernot.
Achtzighundert Mannen Frau Kriemhild gebot,
Daß sie ihn holen sollten, wo er verborgen lag
Und sein der Degen Alberich mit seinen besten Freunden pslag.
Als man des Schatzes willen vom Rhein sie kommen sah,
Alberich der kühne sprach zu den Freunden da:
„Wir dürfen ihr wohl billig den Hort nicht entziehn.
Da sein als Morgengabe heischt die edle Königin.
„Dennoch sollt' es nimmer," sprach Alberich, „geschehe»,
Mußten wir nicht leider uns verloren sehn
Die gute Tarnkappe mit Sigfrid zumal,
Die immer hat getragen der schönen Kriemhild Gemahl.
„Nun ist es Sigfriden leider schlimm bekommen.
Daß die Tarnkappe der Held hat uns genommen,
Und daß ihm dienen mußte all dieses Land!"
Da ging dahin der Kämmerer, wo er die Schlüssel liegen fand.
Da standen vor dem Berge die Kriemhild gesandt
Und mancher ihrer Freunde: man ließ den Schatz zur Hand
Zu dem Meere bringen an die Schiffelein
Und führt ihn auf den Wellen bis zu Berg in den Rhein.
Nun mögt ihr von dem Horte Wunder hören sagen:
Zwölf Leiterwagen konnten ihn kaum von dannen tragen
In vier Tag' und Nächten aus des Berges Schacht,
Hätten sie des Tages den Weg auch dreimal gemacht.