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1. Sieben Bücher deutscher Dichtungen - S. 96

1882 - Halle : Hendel
96 Sechstes Luch. Neue Zeit. Das zweite klassische Zeitalter. Diogenes und der Bettler. Der weise Diogen — der Till Der Philosophen — thronte still Und sorgenlos in seiner Tonne. Ein krummer Bettler non Athen Trot höhnisch vor ihn hin. Freund! geh' mir ans der Sonne! Die Well ist groß; sprach Diogen. Der Sanskulotte schwingt die Krücke: Meinst du, ich sei ein Narr, wie Phi- lipps Sohn? Verseht er, schlägt das Faß in Stücke Und wankt gleich einer Gans davon. Der Weise regle keinen Finger; Er sah halb lachend, halb betrübt Die Trümmer an — sprach: ich sehe wohl, es giebt Was schlimmres noch als Weltbezwinger. Pfefscl. Die Stufenleiter. Ein Sperling fing auf einem Ast Einst eine Fliege. Weder Streben Noch Jammern hals, sie ward gefaßt. „ Ach," rief sie flehend, „laßmich leben!" ,,Nein," sprach der Mörder, „du bist mein; Denn ich bin groß, und du bist klein." Ein Sperber fand ihn bei dem Schmaus. So leicht ward nie ein Späh gefangen, Als dieser Spatz. „Gieb", rief er aus, „Mich frei! Was hab ich denn be- gangen?" „Nein," sprach der Mörder, „du bist mein; Denn ich bin groß, und du bist klein." Ein Adler sah den Schelm und schoß Ans ihn herab und riß den Rücken Ihm auf. „Herr König, laß mich los!" Rief er, „du hackst mich ja in Stücken." „ Nein," sprach der Mörder, „du bist mein; Denn ich bin groß, und du bist klein." Er schmauste noch, da kam im Nu Ein Pfeil ihm in die Brust geflogen. ,,Tyrann!" rief er dem Jäger zu, ,,Warum ermordet mich dein Bogen?" „Ei," sprach der Mörder, „du bist mein; Denn ich bin groß, und du bist klein." Pfeffel. Ibrahim. Eh' Ferdinand *) mit frommer Wut Die Mauren von sich stieß, Floß Omars junges Heldenblut Durch Gusmanns Ritterspieß. Ans Furcht der Rache — reich und groß War dieser Saracen — Floh Gusmann und blieb athemlos Vor einem Garten stehn. Hoch war die Mauer; doch er schwang Sich wie ein Pfeil hinein Und fand in einem Bogengang Den Herrn des Guts allein. Er fleht um Schuh. Mit seinem Stab Schlägt Emir Ibrahim Voll Ernst jetzt einen Pfirsich ab Und teilet ihn mit ihm. „Nimm hin," sprach er, „du bist mein Gast; Dies ist des Schutzes Pfand, Den du von mir zu hoffen hast," Und gab ihm seine Hand. Doch plötzlich rief ein Mütterlein Den edlen Greis hinaus. Er schloß, um unentdeckt zu sein, Den Gast in's Gartenhaus. Es wurde Mitternacht; es kam Der neue Gastfreund nicht. Nun kömmt er; aber bleicher Gram Entstellet sein Gesicht. „ Den du erschlugst, grausamer Christ," Sprach er, „der war mein Sohn. Schön ist die Rache, schöner ist Gehalt'ner Treue Lohn. „Fleuch! Vor der Gartenthüre steht Mein bestes Pferd. Man sucht Dich an der See. Fleuch nach Toled! Gott schütze deine Flucht!" Siehst du im Greis den halben Gott? Wer wohlthut seinem Feind, Mein Kind, wär er ein Hottentott, So ist er Gottes Freund. Pfeffel. *) Ferdinand V., der Katholische, König von Spanien, verjagte im Jahre 1492 die Mauern (Mauro - Araber) aus seinem Reiche.
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