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1. Sieben Bücher deutscher Dichtungen - S. 360

1882 - Halle : Hendel
360 Neue Zeit. Das zweite klassische Zeitalter. Und als er kam zur Felsenwand, Da sprach der Ries' mit Lachen: „Was will doch dieser kleine Fant Auf solchem Rosse machen? Sein Schwert ist zwier so lang als er. Vom Rosse zieht ihn schier der Speer, Der Schild will ihn erdrücken." Jung Roland rief: „Wohlauf zum Streit! Dich reuet noch dein Necken, Hab' ich die Tartsche lang und breit. Kann sie mich besser decken; Ein kleiner Mann, ein großes Pferd, Ein kurzer Arm, ein langes Schwert, Muß eins dem andern helfen." Der Niese mit der Stange schlug, Auslangend in die Weite: Jung Roland schwenkte schnell genug Sein Roß noch auf die Seite. Die Lanz' er auf den Riesen schwang: Doch von dem Wunderschilde sprang Auf Roland sie zurücke. Jung Roland nahm in großer Hast Das Schwert in beide Hände; Der Riefe nach dem seinen faßt. Er war zu unbehende: Mit flinkem Hiebe schlug Roland Ihm unterm Schild die linke Hand Daß Hand und Schild entrollten. Dem Riesen schwand der Mut dahin, Wie ihm der Schild entrissen. Das Kleinod, das ihm Kraft verliehn, Mußt' er mit Schmerzen missen. Zwar lief er gleich dem Schilde nach, Doch Roland in das Knie ihn stach, Daß er zu Boden stürzte. Roland ihn bei den Haaren griff. Hieb ihm das Haupt herunter: Ein großer Strom von Blute lief Jn's tiefe Thal hinunter; Und aus des Toten Schild hernach Roland das lichte Kleinod brach Und freute sich am Glanze. Dann barg er's unter'm Kleide gut Und ging zu einem Quelle: Da wusch er sich von Staub und Blut Gewand und Waffen helle. Zurücke ritt' der jung' Roland, Dahin, wo er den Vater fand Noch schlafend bei der Eiche. Er legt' sich an des Vaters Seit', Vom Schlafe selbst bezwungen, Bis in der kühlen Abendzeit Herr Milon aufgesprungen: „Wach' auf, wach' auf, mein Sohn Roland! Nimm Schild und Lanze schnell zur Hand, Daß wir den Riesen suchen!" Sie stiegen auf und eilten sehr, Zu schweifen in der Wilde, Roland ritt hinter'm Vater her, Mit dessen Speer und Schilde. Sie kamen bald zu jener Statt', Wo Roland jüngst gestritten hätt', Der Riese lag im Blute. Roland kaum seinen Augen glaubt'. Als nicht mehr war zu schauen Die linke Hand, dazu das Haupt, So er ihm abgehauen, Nicht mehr des Riesen Schwert und Speer, Auch nicht sein Schild und Harnisch mehr: Nur Rumpf und blut'ge Glieder. Milon besah den großen Rumpf: „Was ist das für 'ne Leiche? Man sieht noch am zerhaunen Stumpf, Wie mächtig war die Eiche. Das ist der Riese. Frag' ich mehr? Verschlafen hab' ich Sieg und Ehr', Drum muß ich ewig trauern." — Zu Aachen vor dem Schlosse stund Der König Karl gar bange: „Sind meine Helden wohl gesund? Sie weilen allzulange. Doch seh' ich recht, auf Königswort, So reitet Herzog Haimon dort, Des Riesen Haupt am Speere." Herr Haimon ritt in trübem Mut; Und mit gesenktem Spieße Legt' er das Haupt, besprengt mit Blut, Dem König vor die Füße: „Ich fand den Kopf im wilden Hag, Und fünfzig Schritte weiter lag des Riesen Rumpf am Boden."
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