1882 -
Halle
: Hendel
- Autor: Knauth, Franz
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
Neueste Seit. (1830-1880.)
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Und einen Zug seh' ich herab bewegen
Zum Thule sich von Germersheim dem Schlosse,
Und auf der Straße weit den Staub erregen.
Und herrlich raget über all dem Trosse,
Der weinend folgt und schmerzlich weheklagend.
Ein Greis hervor aus langsam geh'ndem Rosse.
Und Priester ihm zur Seite, Kreuze tragend,
Gebete sprechend, feierliche Lieder
Mit Schluchzen singend, Segensworte sagend.
Und durch die Felder geht der Zug hernieder
Zum Rhein hin; und alle Leute weinen
Und schaun und fragen sich und weinen wieder.
„Der Kaiser ist's, den diese Klagen meinen,
Der Kaiser Rudolf ist's, er will mit denen,
Die schon in Speier schlafen, sich vereinen.
Der Kaiser Rudolf ist es: da, wo jenen,
Die vor ihm herrschten, ist das Grab breitet,
Will er sein Haupt auf Sterbekissen lehnen.
Der Kaiser ist's: er weiß, sein Engel leitet
In dreien Tagen ihn zur Todespsorte:
Der Kaiser ist es, der zu Grabe reitet!" —
Und er ist tot! mit solchem Schmerzensworte
Gehn Zähr' und Seufzer in das Land als Boten,
„Rudolf ist tot." So klingts von Ort zu Orte.
Und alles kommt und drängt und will mit roten
Verweinten Augen nur noch einmal schauen,
Rur einmal noch den heißgeliebten Toten.
Es zeigen ihren Kindern ihn die Frauen;
„Seht, diese Hand ließ einst sich das verwaiste
Deutschland als Braut in rechter Liebe trauen."
Sie stehn und jammern; doch die allermeiste
Wehklag' erhebt ein Alter, dem am Kinne
Und Scheitel längst die Locke schon ergreiste.
„Ihr Fürsten, gönnt mir eins nur zum Gewinne,
Nur eins zum Trost. Ich schuf aus festem Steine
Einsmal sein Bild bei meinem besten Sinne.
Das Werk der Lieb und Treue, laßt es seine
Ruhestätte nun für alle Zeit bewahren;
Zu Rudolfs Denkmal genügt sein Bild alleine.
Zu Rudolfs Denkmal, der mit grauen Haaren
Die Krone wie ein Jüngling hat getragen,
Drin Mild' und Recht die schönsten Steine waren."
Der Meister sprach's und trat mit neuen Klagen
Zum toten Kaiser, welchem tiesgefaltet
Der unbewegten Stirne Furchen lagen.