1. Bd. 1
- S. 91
1911 -
Straßburg
: Straßburger Dr. und Verl.-Anst.
- Hrsg.: Gottesleben, N.
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Ii. Aus dem Menschenleben.
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5. Flink abgemacht! Du fehlst mir im Rat;
Zieh zu mir und hilf mir regieren den Staat!" —
„Gern, aber nur zuweilen!
Nun laßt ins Freie mich eilen;
Denn bin ich erst im Rat da drein,
Werd bald ich so quer wie die andern sein.
Flink fort ohne Sorgen
Von heut auf morgen!"
Aug. Kopisch.
114. Kas Wferd als Kläger.
1. In jenen Zeiten, die wir preisen,
Davon noch gern die Sage spricht,
Da hielt mit König Karl, dem Weisen,
Als Schöffe mancher Held Gericht.
2. Ein Glöckchen hing im Waldes-
schatten,
Man hört' im Schlosse, wenn es klang:
Da kamen, die zu klagen hatten,
Und zogen an der Glocke Strang.
3. „Wohlauf, das Glöcklein hör ich
schallen;
Laßt schauen, wer Gerichts begehrt!"
Sie traten aus des Schlosses Hallen,
Da zog den Strick ein lahmes Pferd.
4. „Das ist ein wunderlicher Klüger:
Wer will dem Stummen Stimme leihn?
Der Armen und der Waisen Pfleger,
Du, Eckart, sollst fein Anwalt sein."
5. „Der besten Redner bin ich keiner,
Eckart ist allem Hader feind.
Hier Eurer Ritter ist es einer,
Den dieses Pferdes Klage meint.
6. Es hat ihn feurig einst getragen
Von Schlacht zu Schlacht, von Sieg
zu Sieg;
Man sah es stolz die Scholle schlagen,
Wenn e?s im Waffenschmuck bestieg.
7. Die Ehre dankt er hohem Streben,
Er dankt den Ruhm dem tapfern Arm;
Dem Rosse schuldet er das Leben,
Es trug ihn aus der Feinde Schwarm.
8. Da gab er ihm viel Schmeichelnamen
Und Leckerbissen mannigfalt;
Doch Jahre gingen, Jahre kamen,
Auch dieses edle Roß ward alt.
9. Nun lahmt sein Fuß zu raschem
Laufe,
Blind schwankt es an der Grube Rand;
Da gönnt er ihm vor seiner Raufe,
Vor seiner Krippe keinen Stand.
10. Es irrt, aus seinem Stall ver-
wiesen
Umher und sucht ein Hülmchen Stroh,
Und niemand ist auf Feld und Wiesen
Des ungebetnen Gastes froh.
11. Gescheucht, geworfen und geschlagen,
Lief es hierher und fand den Strang;
Der Hunger trieb's, ihn zu benagen,
Bis diese Glocke sich erschwang.
12. Die Glocke fühlte mit dem armen,
Ihr war der schnöde Undank leid,
Zum Himmel rief sie um Erbarmen,
Zum König um Gerechtigkeit.
13. Ihr weisen Richter mögt erkennen,
Was diesem edeln Tier gebührt;
Den Ritter will ich nicht benennen,
Ich warn' ihn nur, daß er's vollführt."
14. Da rief der letzte, wie der erste,
Da rief der schuld'ge Ritter auch:
„Bis an den Bauch in goldne Gerste,
In goldnes Korn bis an den Bauch!"
Karl Simrock.