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1. Bd. 1 - S. 209

1911 - Straßburg : Straßburger Dr. und Verl.-Anst.
Iv. Land und Leute in Heimat und Vaterland. 209 stielen, Strohwischen, Rechen, Schaufeln u. s. w. reitend, treffen von allen Seiten Frauengestalten ein zur Beratung im Wipfel des alten Baumes. Was er alles zu hören bekommt, sträubt seine Haare; denn es ist der Hexensabbat, der über ihm tagt. — „Vernehmt mein Meisterstück,“ hub die Alte an, die auf des Baumes höchstem Zweig ihren Platz gefunden hatte, „die einzige Tochter des Her- zogs von Lothringen hab’ ich mit einem Siechtum geschlagen, das alle Künste der Ärzte zu Schanden macht. Und doch, wie leicht wäre die Maid zu heilen. Das Herz eines weißen Füllens, das noch keinen Sattel getragen hat, ohne Salz gekocht und ohne Würze, dies der Kranken zu essen gegeben, und heil wird wieder ihr Leib und fröhlich ihr Sinn. Und welches Glück würde dem Retter zuteil werden! Zum Gemahl hat sie der trauernde Vater dem versprochen, der sie dem Leben wieder gewänne.“ — Wenige Monde verstrichen. Da ging die Kunde durch die Lande: „Des Herzogs Tochter ist wieder gesund, und wohlauf. Ein fremder, fahrender Gesell hat ihr den heilenden Bissen geboten, und der dankbare Herzog hatte sein Versprechen gehalten und dem Retter die Gerettete zum Gemahl gegeben. Beide leben jetzt glücklich und in Freuden.“ Der fremde Fahrende aber war unser Geselle, der das Geheimnis der Hexe erlauscht und sich zu Nutzen gemacht hatte. Einmal bei fröhlicher Ausfahrt mit seinem lieblichen Gemahl drängte sich ein schlichter Wanderer, den verschlissenen Hut in der schwieligen Hand, an das rollende Gefährt heran, um ein Almosen zu erbitten. Und ins Auge schauen sich Bettler und Herr, und — „Du?“ — „Du?“ entfährt es dem Munde der beiden. Sie erkannten sich wieder, die zusammen ausgezogen waren, das Glück zu erjagen, der eine eilend, der andere zögernd. Und im Herrenschlosse bei festlicher Tafel erzählen sich die Freunde, was sie seit der Trennung erlitten und erlebt. Der Enttäuschte kam bald zum Entschlüsse: Hat das Geheimnis der Eiche den Freund zum Herzog gemacht, so kehr’ ich zurück zu jener Stätte, um aus des Baumes Wipfel auch mein Schicksal zu vernehmen. — Gedacht, getan. Wieder kamen sie angeschwirrt, die unheim- lichen Gestalten, wieder tagte der Hexensabbat im Geäste, wieder erhob sich die Alte aus des Baumes höchsten Zweigen. „Genos- sinnen,“ sprach sie mit entrüsteter Stimme, „als wir vor Monden hier Beratung gepflogen, hat ein Elender unsere Geheimnisse er- lauscht und Verrat geübt. Drum laßt uns heute die Schatten durch- spähen, ob wir auch unbelauscht unsere Taten berichten. Und her- nieder sausten die wilden Gestalten in wirrem Geflatter. Sie fanden den Späher, und in tollem Getriebe ward ihm ein schrecklicher Tod zuteil. Heute ist die Eiche dahingesunken; des Himmels Strahl hat N. Gottcsleben, Deutsches Lesebuch, l. ^4
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