1910 -
Frankfurt a.M.
: Auffarth
- Autor: ,
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
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„Iltis" mit einem südlichen Kurse dem Hafen von Kiautschou zu. Unter
dem Kommando des Kapitänleutnants Braun stehend, hatte es bei stür-
mischer See mit Wind und Wetter hart zu kämpfen, und je weiter der
Tag vorrückte, desto bewegter wurde die See. Um zehn Uhr am Übend
mußten die Segel geborgen werden, und der Gang der Maschine wurde
verlangsamt, denn die Leuchtfeuer der stellenweise gefährlichen Küste
waren des strömenden Kegens halber nicht sichtbar, plötzlich, gegen elf
Uhr in der Nacht, erschütterte ein harter Stotz das kleine Schiff. Dem
ersten folgte schnell ein zweiter, und das Schiff saß jetzt fest auf einem
Felsenriff im Süden der Sangkaubai.
„Klle Mann auf Deck!" erscholl sofort das Kommando, und die
ganze dienstfähige Mannschaft stellte sich auf dem Hinterdeck in Keih
und Glied. Während Hagel und Kegen herniederprasselten, stand alles
in strammer Haltung da. Unter die Kranken aber wurden Schwimm-
gürtel verteilt, und ein Krrestant ward in Freiheit gesetzt.
In den Maschinenraum war binnen wenigen Minuten durch ein
Leck so viel Wasser eingedrungen, daß Maschinisten und Heizer ihn ver-
lassen mußten. Der zum Orkan angewachsene Sturm peitschte die
Brandung über das Schiff hinweg. Kn den Klippen, die durch das
Dunkel der Nacht herüberschimmerten, wurde sie zerstäubt.
Das Schiff zu retten, war keine Hoffnung mehr vorhanden. Kapitän
Braun aber wich nicht von der Kommandobrücke, auch dann noch nicht,
als die holz- wie die Eisenteile des Dampfers schon barsten. Seine
Stimme überhallte das Tosen des Sturmes.
Ein erschütternder Wogenprall riß plötzlich das Hinterdeck von dem
zwischen zwei Felsen eingeklemmten Vorderdeck und schleuderte jenes
diesem an die Seite.
Es war eine Mahnung an das nahe Ende.
„Ein Hurra Sr. Majestät!" donnerte des Kapitäns mächtige Stimme
da von der Kommandobrücke herab. Und „Hurra!" erbrauste es aus den
Kehlen der dem Tode geweihten Schar. Ein dreimaliges „Hurra!"
mischte sich mit dem Brausen des Sturmes und dem Branden der Wogen.
Kaum aber war der patriotische Ruf verhallt, da schleuderte eine Woge
den Führer der Heldenschar von der Kommandobrücke herab; der Kapitän
verschwand in der Tiefe und wurde nie mehr gesehen.
Kls Notsignale brannte der Oberfeuerwerker Kaehm nun auf dem
Kchterdeck mehrere Kaketen ab, wenn auch ohne Hoffnung auf Erfolg.
Dann schmetterte seine prächtige Stimme, die so oft schon in froher Stunde
den Gesangeschor der Kameraden geleitet hatte, die geliebten Klänge
des deutschen Flaggenliedes in die Nacht hinaus:
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