1910 -
Frankfurt a.M.
: Auffarth
- Autor: ,
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
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Überall wurde der Blick von den Werken älterer und neuerer Kunst
festgehalten. Die Wände der Tempel und Hallen prangten im Farben-
schmuck der Mauergemälde oder Bildtafeln, und ihre Räume waren
wie die Bäder und die Straßen und Plätze von Erz- und Marmor-
bildern erfüllt.
Überall waren die Massen der Gebäude von dem Grün der Gärten
und Parke unterbrochen und eingefaßt, und zu allen Zeiten des Jahres
sah man frisches Laub in Fülle. Selbst von den Dächern und Bal-
könen streuten Blumen und Sträucher ihren Duft. Besonders auf dem
rechten Tiberufer und den umgebenden Hügeln breiteten sich zahl-
reiche, zum Teil kaiserliche Gärten aus. Mehrere dieser Anlagen
standen dem Volke offen; überdies luden, namentlich im Marsfelde,
Lorbeer- und Platanengänge zum Lustwandeln unter dichten Schatten-
dächern ein.
Aber vielleicht seinen schönsten Schmuck und zugleich einen
Schatz von unermeßlichem Wert für die Wohlfahrt seiner Bewohner
hatte Rom in der Menge und Schönheit seiner Wasserwerke. Die
Quellen der Gebirge, in unterirdischen Röhren oder auf gewaltigen
Bogenreihen in die Stadt geleitet, ergossen sich rauschend aus künst-
lichen Grotten, breiteten sich wie Teiche in reich verzierten Behältern
aus, oder stiegen plätschernd in den Strahlen prächtiger Springbrunnen
auf, deren kühler Hauch die Sommerluft erfrischte und reinigte.
Fast jeden Genuß und Luxus ermöglichte der Welthandel, der
Kaufhallen, Läden und Magazine mit den köstlichsten und seltensten
Erzeugnissen der fernsten Länder, den prächtigsten Werken der Ge-
werbetätigkeit und des Kunstfleißes aller Völker füllte. In Rom konnte
man die Güter der ganzen Welt in der Nähe prüfen: spanische Wolle
und chinesische Seide, künstliche bunte Gläser und feine Leinwand aus
Alexandria, Wein und Austern der griechischen Inseln, den Käse der
Alpen und die Seefische des Schwarzen Meeres. In Magazinen und
Läden lagerten heilsame Kräuter aus Sizilien und Afrika, arabische
Spezereien und Wohlgerüche, die Perle von den Bänken der Bahrein-
inseln und der Smaragd aus den Gruben des Ural, schön gemaserte
Scheiben kostbaren Holzes, im Atlas gewachsen, und riesige Balken
und Blöcke farbigen Marmors, in den Gebirgen der verschiedensten
Provinzen gebrochen. Tausendfältig empfand man in Rom, daß man
im Mittelpunkt eines Weltreiches war. Wie von einer hohen Warte
übersah man hier die ganze Erde. Von ihren fernsten Grenzen kamen
auf allen Straßen ununterbrochene Nachrichten. War in Oberägypten
Regen gefallen, oder hatte in Kleinasien die Erde gebebt, waren die