1910 -
Frankfurt a.M.
: Auffarth
- Autor: ,
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
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187. Die Franzosen in Frankfurt im Jahre 1792.
Richnrd Froning.
Handschriftlich von dem Verfasser.
Im Herbste 1792 waren die verbündeten Preußen und Österreicher
vor den Heeren der französischen Revolution über den Rhein zurück-
gegangen. Das feste Mainz' ergab sich den Franzosen unter General
Custine ohne Kampf. Schon am folgenden Tage erschienen zwei fran-
zösische Abteilungen vor Frankfurt und begehrten Einlaß. Er konnte
ihnen nicht verwehrt werden; denn die Festungswerke befanden sich in
schlechtem Zustand, und eine Verteidigung war gar nicht vorbereitet.
Mit dem Rufe „Es lebe die Freiheit!" zogen die Franzosen in Frankfurt
ein. Viele Bürger waren so sorglos, daß sie dem Einmarsch zusahen
wie einem harmlosen Schauspiel.
Aber alsbald zeigte es sich, daß die Gäste nicht kamen, um Frei-
heit zu bringen, sondern um Geld zu erpressen. Custine schickte von
Mainz ein Schreiben an den Rat, in dem er von der Stadt binnen
24 Stunden die Zahlung von 2 Millionen Gulden oder 4 Millionen
Franken forderte. Das Vierfache der ganzen Jahreseinnahme des Staates
begehrte der General auf einmal. Die Bürger wollten es erst nicht
glauben, da man doch den Franzosen nicht das geringste getan hatte.
Sie konnten sich auch nicht denken, daß die Männer der Freiheit eine
Gewalttat ausüben würden, die auf eine ganz gewöhnliche Räuberei
hinauslief. Aber es war doch so. Der Rat mußte Geld schaffen und
wandte sich an die Bürgerschaft. Ihre Opferfreudigkeit zeigte sich im
glänzendsten Lichte. Arm und reich strömte auf den Römer und brachte
seine Ersparnisse, um dafür Schuldverschreibungen des Staates ent-
gegenzunehmen. Das ärgerte Custine, und er suchte Zwietracht unter
die Bürger zu säen, um so irgend eine feindliche Handlung her-
vorzurufen, die ihm dann wenigstens nachträglich einen Schein des
Rechtes für seine Forderungen geliefert hätte. Er ließ bekannt machen,
daß die Kriegssteuer nur die Reichen, nicht die Armen treffen solle.
Aber damit hatte er kein Glück. Vielmehr verstärkte dieser Versuch,
die Bürger zu entzweien, noch den Widerwillen und Haß gegen den
Eindringling. Custine ließ, weil der Rat zunächst nur einen kleinen
Teil der geforderten Summe hergab, eine Anzahl angesehener Bürger
als Geiseln fortführen. Der Rat erlegte schließlich die Hälfte der Forde-
rung, sandte aber auch eine Abordnung nach Paris, die bei der dortigen
Regierung über Custines Benehmen, das allem Völkerrecht hohnsprach,
Beschwerde führen sollte.