1910 -
Frankfurt a.M.
: Auffarth
- Autor: ,
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
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Ein Torpedoboot ist ungefähr 35 bis 40 Meter lang bei
4 Meter Breite und 2 Meter Tiefgang, aus dünnem Stahlblech
gebaut, um seine Leichtigkeit und Schnelligkeit zu erhöhen. Es
sind nur winzige Fahrzeuge; aber eine ungemein mächtige
Maschine verleiht ihnen eine Schnelligkeit bis zu 15 Meter in
der Sekunde. Gerade diese Geschwindigkeit, Lenkbarkeit und
Kleinheit sind, da sie selbst keinerlei Panzer tragen können,
ihr einziger Schutz gegen die Kanonen der Panzerriesen, die sie
mit einem Hagel von Geschossen überschütten würden, von
denen ein paar Treffer ihnen den Garaus machen können.
Aus der langen Reihe der im Torpedohafen ruhenden Boote
ist eins vor kurzem herausgeholt worden und liegt nun im
breiten Fahrwasser; es soll eine Fahrt in See machen. Im
sichern Hafen spielt sich das Leben auf den Blitzbooten ganz
nett und gemütlich ab; aber es kann auf diesen Nußschalen .
höchst ungemütlich sein, wenn sie auf längere Zeit bei schlechter
Jahreszeit in See geschickt werden; denn das Deck des Bootes
liegt kaum mehr als ein halbes Meter über Wasser; Bordwände
zum Schutz gegen überbrechende Wellen sind nicht vorhanden;
zischend spült die See über den Bug des Bootes hin, so daß es
oft den Anschein bat, als ob das Fahrzeug mehr unter als über
dem Wasser sei. Geschieht ein Unglück, so ist die Mannschaft
nur auf ein kleines, vier Meter langes Boot und auf die Schwimm-
gürtel angewiesen, wodurch man sich allenfalls einige Stunden
über Wasser halten kann.
Tiefer Ernst spricht sich darum auch in den Zügen des
Kommandanten aus, eines jungen Leutnants, der soeben an Bord
zurückkehrt. Er ist einige Stunden an Land gewesen, um Ab-
schied zu nehmen und um seine Segelorder zu empfangen. Sie
lautet: „Von Wilhelm sh äsen nach Kiel“, und zwar soll das Boot
am andern Morgen in See gehen.
Es ist Mitte Dezember; am Nachmittag hat sich ein scharfer
Nordwind aufgemacht; er jagt Schneeschauer vor sich her, die -vö
zeitweilig die Luft ganz verdunkeln. Das Thermometer ist unter
den Gefrierpunkt gesunken. Das sind keine angenehmen Aus-
sichten; aber was hilft es, man muß dem Befehl gehorchen.
Der Kommandant begibt sich in seine Kajüte, die so klein ist,
daß er sich kaum darin umdrehen kann; dort nimmt er die
Seekarte und studiert den Weg, den er zu nehmen gedenkt.
Er soll zum ersten Male ein Schiff über See führen, und zwar