1913 -
Bielefeld [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Porger, Gustav, Wolff, Karl
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Knabenmittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Bald wurde er wieder in die Stadt geschickt, um einen Sack Erbsen
zu kaufen. Mit Mühe schleppte er den Sack bis auf den Berg. Da fiel
ihm ein, daß sein Herr ihm gesagt hatte, er hätte die Schweinchen vor
sich hertreiben sollen, die liefen ja von selbst. Flugs schüttete er den
Sack aus, daß die Erbsen ganz lustig den Berg hinunterrollten, und ging
dann mit dem leeren Sack bequem nach Hause. Als der Bauer den
leeren Sack sah, fragte er: „Nun Till, wo hast du die Erbsen?" „Die
werden gleich kommen," antwortete der Schalk, „ich habe sie ausgeschüttet,
und sie liefen ganz lustig den Berg hinab, ganz von selbst, ich brauchte
sie nicht einmal zu treiben!" Da ward der Bauer sehr zornig und schalt
seinen Knecht tüchtig aus. „Ei," sagte der, „was scheltet Ihr mich? Ihr
habt ja selbst gesagt, ich hätte die Schweinchen nur vor mir her treiben
sollen, die liefen von selbst. Nun hab' ich's so gemacht; Euch aber ist's
wieder nicht recht. Wie soll ich's denn machen, wenn Ihr zufrieden mit
mir seid?" „Du bist ein arger Narr," sagte der Bauer, „so etwas bindet
man an einen Strick und hängt's über den Rücken."
„Ich werd' mir's merken," sagte Till, und als er wieder ans den
Markt geschickt wurde, um eine junge Ziege für seinen Herrn zu kaufen,
band er ihr einen Strick um den Hals und hing sie über den Rücken, daß
das arme Tier elend ersticken mußte. Zu Hause gab es natürlich aber-
mals Schelte und ein paar Ohrfeigen als Zugabe. „Euch kann's kein
Mensch recht machen," sagte Till; „tue ich, wie Ihr mir sagt, so scheltet
Ihr mich. Wie soll ich's denn eigentlich machen?" „Du bist ein Narr,"
antwortete der Bauer, „warum hast du denn die Ziege nicht angebunden
und hinter dir hergeführt? Dann wäre sie nicht elend aufgehängt worden
wie ein Dieb am Galgen."
„Das sollt Ihr mir nicht vergeblich gesagt haben," entgegnete Till,
und als er bald darauf wieder auf den Markt geschickt wurde, um etliche
irdene Töpfe für die Küche zu kaufen, band er sie an einen Strick und
zog sie hinter sich her. Mit Staunen und Schrecken sah der Bauer seinen
Knecht ankommen, wie er an einem Strick die Henkel der gekauften Töpfe
nachschleifte; denn mehr war natürlich nicht übriggeblieben von den Töpfen,
die längst in tausend Scherben zerbrochen waren. Da nahm der Bauer
den Strick, walkte seinen Knecht tüchtig damit durch und jagte ihn fort.
„Mit dir ist doch gar nichts anzufangen, du Tölpel!" rief er in großem
Zorn. — „Euch mag's ein anderer recht machen, ich kann es nicht; denn
Ihr ändert Eure Meinung alle Tage, und wenn ich's so mache, wie Ihr
mir sagt, scheltet Ihr doch immer." Damit ging Eulenspiegel fort und
suchte sich einen andern Dienst.