1918 -
Bielefeld [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Porger, Gustav
- Hrsg.: Wolff, Karl
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Knabenmittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): Jungen
„Was geschieht hier?" „Hier wird geschliffen," berichtete mein
Begleiter. „Es werden hier bessere Belegplatten für Hausgänge, Kirchen,
Pflaster, aber auch die feinsten Lithographiesteine hergestellt, die so glatt
sind wie Spiegel." — „Die brauchen wohl viel Arbeit, bis sie soweit
fertig sind?" — „Jawohl," meinte der Arbeiter. „Eben beginnen wir
mit der Arbeit an einem neuen. Da können Sie die Vorgänge des
Schleifens beobachten." — „Wie lange arbeitet man an einem seinen
Lithographiestein, bis er vollendet ist?" — „Das ist nach der Größe
der Platte sehr verschieden. An einem kleinen eine halbe Stunde und
an einer Platte so groß wie ein Spiegel einen halben Tag. Sehen
Sie, da ist zweierlei Sand, ganz roter, grobkörniger vom Main und
ganz seiner, granschwarzer von der Donau, und Wasser. Das sind die
drei Hauptmittel, die das Geheimnis ausmachen, um einen feinen Litho-
graphiestein herzustellen." — „Geschieht das nicht durch den Schleif-
stein?" — Der Arbeiter lächelte und meinte: „Wer beim Schleifen
eines Lithographiesteines an einen Schleifstein denkt, ist in großen:
Irrtum. Sehen Sie, ich nehme hier die zwei rauhen Platten. Sie
fühlen, ihre Oberfläche ist ganz höckerig. Die beiden Platten werden
nun, nachdem ich zuvor etwas Sand zwischen sie gestreut und mit
Wasser genetzt habe, übereinander gelegt. Auf die Rückseite der oberen
Platte lege ich Holzschindelchen und darüber einen größeren, gewöhnlichen
Stein. Diesen drehe ich wie eine Kaffeemühle rasch und immer rascher.
Mit ihm bewegt sich die obere Platte ebenso rasch und geschwind, daß
der Sand nur so knirscht. Schaum und Schlammbrühe quellen daraus
hervor. Die beiden Oberflächen reiben sich gegenseitig ab, und allmählich
verliert sich das Knirschen. Dies wird so lange fortgesetzt, bis die
Platten glatt abgerieben, d. h. abgeschliffen sind. Nachdem die Platten
noch mit dem feineren Donausande gerieben sind, kommt das Abreiben
mit dem Polierstein." — Das hatten wir schon bei unserem Eintritt in
die Werkstätte beobachtet.
„Wieviel Arbeiter werden insgesamt in den Gruben um Solnhofen
beschäftigt?" — „Nicht weniger als 2000." — „Und wie groß ist der
tägliche Verdienst?" — „Zwischen 1,50 Jua bis 3 Jl“ — „Wie lange
werden denn die Brüche schon ausgebeutet?" — „Weit über hundert-
sünfzig Jahre. Mein Großvater hat schon in diesem Bruche gearbeitet."
— „Werden denn die Gruben doch nicht bald erschöpft sein?" — „O,
da hat es noch gute Weile! Wir werden noch auf Jahrhunderte die
Welt mit unsern Lithographiesteinen versehen können."
Mit freundlichem Danke schied ich von den fleißigen Leuten und
wandte mich dem Maxbruche zu. Hier, wo die Maschinen den Menschen-
händen den größten Teil der Arbeit abgenommen haben, werden Platten
von ganz gewaltigem Umfang fertiggestellt, so namentlich die sogenannten
Unterlagen für Spiegelsabriken.