1913 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
363
der Maschinen und der vielen tätigen Hämmer entgegen. Nach der
Landseite hin ist die Werft mit einer hohen Mauer abgeschlossen.
Trittst du durch eines der vier großen Tore ein, so glaubst du, dich
in einer großen Stadt zu befinden; denn vor dir reiht sich Werkstatt
an Werkstatt, Lagerraum an Lagerraum, und nicht weniger als fünf-
bis sechstausend Arbeiter finden hier Beschäftigung. Ihre fleißigen
Hände sind tätig, neue Schiffe zu bauen und für die Fahrt übers
Meer auszurüsten, alte Schiffe auszubessern oder umzubauen. Nach
der Art der Arbeit teilt man die Werft in verschiedene Arbeitsfelder
oder Ressorts, von denen das Schiffbau-, das Maschinenbau- und
das Ausrüstungsressort die wichtigsten und sehenswertesten sind.
Betreten wir zunächst die Schiffbauabteilung. Hier finden wir
die Bauplätze für die Schiffe, dicht am Wasser liegende, gegen dieses
geneigte, ebene Plätze, Hellinge genannt. Auf diesen werden zwischen
einem mächtigen hölzernen Gerüst die schweren Kolosse aus
Tausenden von Eisenteilen zusammengestellt. Zunächst wird der
Kiel gestreckt, d. h. der aus festen Eisenschienen bestehende untere
Teil des Schiffes gelegt. Er ruht seiner ganzen Länge nach auf
mächtigen Holzklötzen, dem sogenannten Stapel, und bildet gleichsam
das Rückgrat des ganzen Baues. An den Kiel setzt man die Rippen
oder Spanten, den Vorder- und Hintersteven — das sind die starken,
aus Gußstahl hergestellten Teile, die dem Schiffe vorn und hinten
die nötige Festigkeit geben — und die Schotte, die wasserdichten
Zwischenwände. Hat man nun die Außenhaut aus dünnen Eisen-
platten fertiggestellt und die verschiedenen Decke eingebaut, so kann
das Schiff vom Stapel, d. h. zu Wasser gelassen werden. Der Stapel-
lauf, mit dem die Taufe des Schiffes verbunden wird, bedeutet
einen wichtigen Abschnitt in der Bauzeit eines Schiffes und bringt,
ähnlich wie das Richten eines Hauses, für die am Bau beschäftigt
gewesenen Arbeiter eine Festlichkeit mit sich. Freilich mußt du
nicht glauben, daß nun schon die ganze Arbeit getan ist. Ebenso-
wenig wie das Haus gleich nach dem Richtfest bewohnt werden
kann, ist das Schiff jetzt imstande, eine Mannschaft auf die See
hinauszutragen. Ihm fehlen noch die wichtigsten Teile, die Maschinen
und Schornsteine oder Schlote, die Masten, Panzerplatten und
Kanonen, mit einem Wort die Einbauten und Aufbauten, und es
vergehen noch immerhin anderthalb bis zwei arbeitsreiche Jahre,
ehe das Fahrzeug als fertig die Werft verlassen kann.